Schlagwort-Archive: Wandinschriften

Neues von der Baustelle: Sichtbare Entwicklungen

Die Bauarbeiten zum Neubau des Ausstellungsgebäudes schreiten mittlerweile schnell voran und die neuesten Entwicklungen sind deutlich erkennbar:

Im Juni wurde die Decke über dem Erdgeschoss gegossen, sodass die Auskragung des ersten Obergeschosses über der Grundfläche des Neubaus sichtbar wurde. Nachdem der Beton ausgehärtet war, bot sich den Mitarbeiter_innen der Gedenkstätte auch erstmals Gelegenheit, den Blick nachzuvollziehen, der sich zukünftigen Besucher_innen durch das Ausstellungsfenster auf das Hinrichtungsgebäude eröffnen wird.

In dieser Woche wurden die Vorbereitungen für die Gestaltung der Außenfassade getroffen: Für die Visualisierung der in einer ehemaligen Arrestzelle freigelegten Wandeinritzungen brachten Bauarbeiter ein Relief als Negativ-Schablone an. Dieses wurde verschalt und in Ortbeton gegossen.

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Die Bilder zeigen die Montage der Negativ-Schablone für die Visualisierung der Wandeinritzungen sowie das Relief. (Fotos: Finn Hoins)

Insgesamt lassen sich die Dimensionen des Neubaus mittlerweile nicht nur zu erahnen, sondern sind aufgrund der gelben Verschalung der Außenwände auch über die Mauer der JVA deutlich sichtbar.

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Die gelbe Verschalung des Baus lässt die künftige Höhe des Ausstellungsgebäudes bereits gut erkennen. (Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Sarah Kunte)

 

 

 

Zahlreiche Wandritzungen von Gefangenen entdeckt

Im ehemaligen Hinrichtungsgebäude sowie in den Arrest- und Haftzellen in Haus III (Bastion Philippsberg) sind seit Herbst letzten Jahres umfangreiche restauratorische Befunduntersuchungen vorgenommen worden. Die Wände wurden durch die Baurestauratorin Beate Skasa-Lindermeir und ihre Kolleg_innen im Hinblick auf mögliche Zeitdokumente in Form von Gefangenenritzungen oder -zeichnungen begutachtet.

In Zelle 128 wurden neben mehreren Inschriften auch Darstellungen von Flugzeugen entdeckt, Foto: Beate Skasa-Lindermeir

In Zelle 128 wurden neben mehreren Inschriften auch Darstellungen von Flugzeugen entdeckt, Foto: Beate Skasa-Lindermeir

In Zelle 3 im ehemaligen Hinrichtungsgebäude, in der Gefangene auf die Vollstreckung des Urteils warten mussten, konnten leider keine persönlichen Zeugnisse an den Wandfassungen entdeckt werden. Dieser Umstand ist vorrangig durch frühere Renovierungsmaßnahmen innerhalb des Bauwerks bedingt. Wenn noch vorhanden, sind sie von zahlreichen, dicken Farbschichten und partiell auch von Spachtelmassen bedeckt. Demgegenüber sind in der früheren Arrestzelle 128 in Haus III zahlreiche Funde gemacht worden. Neben der Erstellung von Freilegungstreppen, die einen Überblick über die verschiedenen Farb- und Putzschichten an den Wänden geben sollen, haben die Baurestaurator_innen zahlreiche Schriftzüge in verschiedenen Sprachen sowie Ritzzeichnungen lokalisieren und sichtbar machen können. In den folgenden Wochen werden Überlegungen zum angemessenen Schutz und der Art der Präsentation dieser Zeugnisse wesentliche Themen sein.

Entwürfe zur Neugestaltung der Gedenkstätte erarbeitet

Im Auswahlverfahren zur Neugestaltung der Gedenkstätte im Rahmen des Teilprojektes II hat das Gestaltungsbüro Hinz & Kunst aus Braunschweig den Zuschlag erhalten. Das durchdachte Lichtkonzept im ehemaligen Hinrichtungsgebäude sowie die Vorschläge zur Entwicklung einer multimedialen Lernanwendung fanden große Zustimmung. Im Hinblick auf die konzeptionellen Überlegungen sowie die geplante Umsetzung arbeiten die Kolleg_innen von Hinz & Kunst eng mit dem Architekturbüro O.M. Architekten BDA sowie dem freien Ausstellungsarchitekten Axel Pohl zusammen.

Der gegenwärtige Entwurf sieht im ehemaligen Hinrichtungsraum, dem zentralen Ort des Gedenkens, eine Installation von mehreren Glasstelen an der Westwand vor, auf denen die Namen der Hingerichteten verortet werden sollen. Ferner ist auch der frühere Standort der Guillotine in das Gestaltungskonzept mit einbezogen worden. Die weiteren Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Gebäudes sollen später eine unterschiedliche Nutzung erfahren, unter anderem zur Präsentation von historischen Bild- und Textquellen sowie ausgewählten Biografien.

Gestaltungsentwurf mit Darstellung der Medientische in den ehemaligen Gemeinschaftshaftzellen in Haus III, Grafik: Hinz & Kunst

Gestaltungsentwurf mit Darstellung der Medientische in den ehemaligen Gemeinschaftshaftzellen, Grafik: Hinz & Kunst

Die früheren Gemeinschaftshaftzellen in Haus III sollen im Wesentlichen zu Gruppenarbeitsräumen für die pädagogische Arbeit vor Ort umgestaltet werden. Ein wesentliches Element werden mehrere interaktive Medientische bilden, an denen sich Besucher_innen vertiefend mit historischen Quellenmaterialien auseinandersetzen können. Eine einzelne Gemeinschaftshaftzelle und die Arrestzelle 128 werden ferner zukünftig begehbare Exponate sein. Die inzwischen durch die Baurestaurator_innen freigelegten Wandritzungen der Gefangenen sollen dabei aufbereitet und angemessen geschützt werden.

Aussenansicht der Baracke 13 mit seitlichem Kellerabgang in der Köllnischen Straße 17

Inschriften und bauliche Relikte der Baracke 13

Die Baracke 13 im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit ist von allen Unterkunftsbaracken des ab Sommer 1943 erbauten Lagers am besten erhalten. Eine Besonderheit ist, dass sich unterhalb dieser Baracke ein Luftschutzkeller befand. 2010 wurde sie als architektonisches Bauzeugnis restauriert. An vielen Kellerwänden lassen sich – nun geschützt hinter Glas – Inschriften italienischer Zwangsarbeiter finden.

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Inschriften im Keller der Baracke 13: italienische Worte, Namen und Daten von Luftangriffen aus der letzten Kriegsphase. Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Neben dem sind zahlreiche bauliche Details erhalten, wie z.B. die Fenster und ein Teil der Fensterläden sowie originale Oberflächen im Inneren des Gebäudes. Gestalterisch beeindruckte uns hier die zurückhaltende Kommentierung des Ortes durch Ausstellungs- bzw. Textflächen zu Aspekten des Lageralltags, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Eine behutsame Gestaltung, die wir uns auch für die baulichen Großexponate und historischen Orte der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel wünschen.

„Mit Tränen in den Augen sieht man nicht gut“

Geschichtslabor und Gestapo-Keller. Ein Besuch im EL-DE-Haus in Köln.

Barbara Kirschbaum (Museumsdienst) erläuterte uns ihre Arbeit im Geschichtslabor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln.

Ein Raum, der mit den Erwartungshaltungen der Besucher bricht. Von der Decke hängen hunderte Alltagsgegenstände aus den 1930er und 40er Jahren. Das Geschichtslabor bietet einen aktiven Zugang zu der Frage: Wie funktionierte die NS-Gesellschaft? Die Gegenstände an der Decke sind verknüpft durch Fragen, deren Antworten sich in Schränken und Schubladen verbergen. Kleingruppen können sich spielerisch und selbstständig mit dem Thema Jugend im Nationalsozialismus auseinandersetzen.

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Barbara Kirschbaum erläutert die Bildungsarbeit im Geschichtslabor. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Martina Staats

Die Arbeit im Labor ist ein Teil des Workshop-Angebots, zu dem auch ein Rundgang durch die Ausstellung sowie der (freiwillige) Besuch der ehemaligen Gestapo-Zellen im Keller gehört. Für Barbara Kirschbaum ist auch hier das leitende Thema: In- bzw. Exklusion der Volksgemeinschaft.

„Das Haus ist das Original“

– so der Leiter des NS-Dokumentationszentrums, Dr. Werner Jung.

1935 übernahm die Gestapo Köln das leerstehende Haus und richtete hier ihre Zentrale mit eigenem Hausgefängnis ein. Zum Teil zehnfach überbelegt mussten Häftlinge in den kleinen Zellen Wochen und oder gar Monate verbringen.

Von Kriegsschäden verschont und später als Aktenlager der Rentenstelle genutzt blieb das Gebäude wie auch die rund 1.800 selbständigen Inschriften und Zeichnungen der Gefangenen an den Zellenwänden erhalten.

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Inschriften in einer der Zellen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Anett Dremel

Ob mit Lippenstift gemalt oder mit dem Fingernagel in den Gips geritzt, die Inschriften sind beeindruckendes Zeugnis der hier inhaftierten, gefolterten und ermordeten Menschen.

Martina Staats und Dr. Kerstin Klein bei der Besichtigung der Zelle 27 im Hafthaus I (“Graues Haus”). Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel/ Stefan Wilbricht

Restauratorische Untersuchung der historischen Gebäude

Bei einer Begehung der historischen Gebäude der Gedenkstätte mit Dr. Kerstin Klein und Antje Graumann vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege wurden die restauratorischen Maßnahmen im Rahmen der Neugestaltung geplant. Sowohl das ehemalige Hinrichtungsgebäude, als auch eine frühere Todeszelle sowie jeweils eine Gemeinschaftshaft- und Arrestzelle sollen von Restauratoren auf Wandinschriften von Gefangenen, Farbschichten und andere Nutzungsspuren untersucht werden.

“Da findet man bestimmt was – aber ob es das ist, was wir uns erhoffen?”

– so die vorläufige Einschätzung der Spezialistin für Wandmalereien, Architekturoberflächen und Stuck, Dr. Kerstin Klein, während der Begehung. Bei der restauratorischen Untersuchung werden im abgedunkelten Raum zunächst alle Wände mit Streiflicht und UV-Licht ausgeleuchtet. Zur Analyse von Farbschichtfolgen werden anschließend an vorab definierten Stellen Farbschnitte angelegt. Inschriften könnten dort gefunden werden, wo niemand kontrollierte bzw. wo nachträglich wenig Farbe aufgetragen wurde. In ehemaligen Haftzellen beispielsweise am Standort von Pritschen oder an Wänden, die hinter Heizungen liegen. Zudem beinhaltet die denkmalpflegerische Bauuntersuchung die Einordnung von vorhandenen Einbauten wie Fenstergitter, Flügelfester und Zellentüren zu bestimmten Bauphasen.

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Grundriss des ehemaligen Hinrichtungsgebäudes vom Hochbauamt Wolfenbüttel, 1948. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Stefan Wilbricht

 

Gedenkort
SA-Gefängnis Papestraße

Die Kuratorin Dr. Irene von Götz begleitete uns durch die Ausstellung im Berliner Gedenkort SA-Gefängnis Papestaße. Überbauungen und auffällige Texttafeln wurden in den weitgehend erhaltenen Keller­räumen des ehemaligen SA-Gefängnisses vermieden. Nur wenige prägnante historische Quellen zeichnen Haftabläufe nach, besondere Wandinschriften wie Bleistiftzeichnungen in Form von NS-Symbolen und das Porträt eines jüdischen Häftlings werden hinter Glas gesichert und mit Spots angeleuchtet – Ausstellungsgestaltung: http://www.kp-sperlich.com/.
Die SA-Feldpolizei nutzte die Kellerräume des ehemaligen Kasernengebäudes in der General-Pape-Straße von März bis Dezember 1933 als Haftstätte. Sie inhaftierte, verhörte und folterte politische Gegner_innen, Jüd_innen und andere verfolgte Gruppen. Rund 30 Personen kamen während der Haft oder in Folge ums Leben. Heute sind etwa 500 Häftlinge namentlich bekannt.
Bereits gegen Ende der 1970er Jahre machten antifaschistischen Initiativen die Geschichte des Ortes öffentlich. Mit der Gründung der Geschichtswerkstatt Papestraße zu Beginn der 1990er Jahre begann eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ort, die in eine 2013 eröffnete Dauerausstellung mündete.

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Hörstationen im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Stefan Wilbricht

An bestimmten Orten lösen Bewegungsmelder Tondokumente mit thematischen Ortsbezügen aus. Zu hören sind Auszüge aus zeitgenössischen Haftberichten, die für die Ausstellung von Schauspieler_innen vertont wurden. Bei Gruppenführungen können die Tondokumente mobil per Bluetooth ausgelöst werden – Medien: http://www.thegreeneyl.com/work.

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Gedenkraum im ehemaligen SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Stefan Wilbricht

In einem abgedunkelten Gedenkraum projizieren Beamer die Namen der bekannten Todesopfer durch eine ausgestanzte Metallplatte in den Raum. So entsteht eine zeitlich variable Projektion, die sich auch auf den Besucher_innen abbildet.

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Das Bildungsangebot im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel/ Stefan Wilbricht

Vertiefende Bildungsangebote für Jugendliche wurden gemeinsam mit dem Jugend Museum in Berlin-Schöneberg entwickelt. Bis auf einige Video-Interviews mit Zeitzeugen, Angehörigen, Anwohnern, Besuchern und Ausstellungsbeteiligten wird auf digitale Medien verzichtet. Stattdessen werden Dokumenten-Boxen eingesetzt, die mit Zitaten, Infos und Biografien angefüllt sind, Karteikarten dienen als Glossar. In einem Schaukasten können Statements hinterlassen werden, die für die nächsten Besuchergruppen sichtbar bleiben.

Ungewöhnliche Wege geht der Gedenkort auch in der Öffentlichkeitsarbeit, so ist das SA-Gefängnis ein Schauplatz in Volker Kutschers neuem Roman „Märzgefallene“.