Archiv der Kategorie: entdecken & vernetzen

Besuch aus der Prager Gedenkstätte Pankrác

Am Mittwoch, dem 6. Juni 2018, besuchten zwei Kolleg_innen aus der Prager Gedenkstätte Pankrác die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel. Auch in Pankrác war zur Zeit des Nationalsozialismus eine Hinrichtungsstätte eingerichtet worden – insgesamt wurde die Todesstrafe hier an 1075 Menschen vollstreckt. In den 1950er-Jahren diente das Gefängnis weiter als Haft- und Hinrichtungsort für politische Gegner des kommunistischen Regimes.

Der Leiter des Kabinetts der Dokumentation zur Geschichte des tschechischen Justizvollzugs Dr. Aleš Kýr und Alena Kafkowa, Kuratorin der Sammlung des Kabinetts, besichtigten die JVA Wolfenbüttel sowie die historischen Orte ehemalige Haftzelle und Hinrichtungsgebäude. Vor Ort informierten sie sich über die verschiedenen pädagogischen Angebote der Gedenkstätte und den aktuellen Stand der Neukonzeption. Im Gespräch mit Gedenkstättenleiterin Martina Staats und Mitarbeiterin Simona Häring wurde die Kooperation beider Institutionen nochmals bestätigt und weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit diskutiert.

Foto: Gedenkstättenleiterin Martina Staats (r.) im Gespräch mit Simona Häring, Dr. Aleš Kýr und Alena Kafkowa (v.l.). (Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Sarah Kunte)

Treffen des Arbeitskreises Justizgedenkstätten

Am 7. und 8. September 2017 fand das jährliche Treffen des „Arbeitskreises Justizgedenkstätten“ in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Dortmund statt. Zum vierten Mal kamen Kolleg_innen aus verschiedenen Justiz- und Haftgedenkstätten zu einem fachlichen Austausch zusammen, darunter u.a. Kolleg_innen aus der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, der Gedenkstätte ROTER OCHSE in Halle/Saale, der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden, der Gedenkstätte Münchener Platz in Dresden, der Gedenkstätte Moritzplatz in Magdeburg und der Stiftung Lindenstraße Potsdam.

Der „Arbeitskreis Justizgedenkstätten“ hatte sich im Mai 2013 aus dem von der Gedenkstätte in der in Wolfenbüttel veranstalteten Symposium „Gedenkstätten an Hinrichtungsorten und Gefängnissen im Nationalsozialismus“ konstituiert. Bei einmal jährlich stattfindenden zweitägigen Treffen werden zwischen den Teilnehmer_innen aus der ganzen Bundesrepublik Erfahrungen ausgetauscht, mögliche Kooperationen besprochen, über neue Projekte informiert und neue, gemeinsame Projektideen entwickelt. So die Notwendigkeit einer umfassenden Datenbank der in der NS-Zeit Hingerichteten diskutiert. ein Das weitergehende Ziel ist es, durch die landesweite Vernetzung eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und eine bessere Wahrnehmung der Justizgedenkstätten zu erreichen.

Das diesjährige Treffen begann mit einem Rundgang und Kennenlernen des historischen Ortes der Steinwache Dortmund. Die Kolleg_innen Carmen Hause und Markus Günnewig stellten die Gedenkstätte vor und gaben Einblick in die laufenden Planungen der Neukonzeption der dortigen Dauerausstellung. Dies stand auch im Mittelpunkt der folgenden Präsentationen von Martina Staats zum Stand der Neugestaltung in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, Lisa Quäschning zur Realisierung der Dauerausstellung in der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden und Ute Gerlant zur Gründung der Stiftung Lindenstraße in Potsdam. Durch die anschließenden gemeinsamen Gespräche konnten Ratschläge und Anregungen ausgetauscht und gemeinsam über Erfolge und Schwierigkeiten gesprochen werden.

Zudem referierte der freie Historiker Christoph Bitterberg zum nationalsozialistischen Strafvollzug am Beispiel der Strafanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel und stellte die dortige Gedenkstätte vor, sowie der Anstaltsseelsorger Alfons Zimmer zu Opfern der NS-Justiz in der „Krümmede“ Bochum.

Zum Abschluss wurden von Martina Staats und Lars Skowronski (Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle/Saale) Vorschläge und Impulse für eine inhaltliche Positionierung des Arbeitskreises in der bundesdeutschen Gedenkstättenlandschaft vorgestellt. Im Ergebnis einigten sich die Teilnehmer darauf, dass der Arbeitskreis Justizgedenkstätten auf der bundesweiten Gedenkstättenkonferenz vorgestellt und als eigene Interessenvertretung des Justiz- und Haftgedenkstätten auf bundesweiter Ebene verankert werden soll.

Im Dezember nahmen Lars Skowronski und Martina Staats als Vertreter der Arbeitskreises Justizgedenkstätten an der 6. Bundesweiten Gedenkstättenkonferenz in Halle (Saale) teil. Im Rahmen eines eigenen Vortrags stellten sie den Arbeitskreis und die teilnehmenden Gedenkorte und –initiativen vor und gaben einen Einblick in seine Tätigkeiten und Ziele. In der anschließenden lebhaften Diskussion wurde angeregt, den Arbeitskreis insbesondere um Haftstätten auch der Polizei auszuweiten und ggf. in „Arbeitskreis der Gedenkstätten Justiz und Polizeigefängnisse“ o. ä. umzubenennen. Auf Anregung von Thomas Lutz wird voraussichtlich 2018 ein eigener Aufsatz zu den Ansätze, Zielen und Tätigkeiten des Arbeitskreises im Gedenkstättenrundbrief veröffentlicht.

Zeitzeugen des Paragraphen 175

Bundesweit Zeitzeugen gesucht!

Waren Sie selbst, ein Angehöriger oder ein Bekannter von Ihnen aufgrund des §175 verurteilt?

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel sucht nach Zeitzeugen, die in der frühen Bundesrepublik aufgrund der Paragraphen 175 oder 175a verurteilt und inhaftiert wurden.

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel erinnert seit 1990 an die Opfer von NS-Justiz und an die im Strafgefängnis Wolfenbüttel Hingerichteten und Inhaftierten während des Nationalsozialismus. Bis Ende des Jahres 2018 wird die Gedenkstätte um eine neue Dauerausstellung erweitert. Hier werden erstmals auch die Kontinuitäten der NS-Gesetze und der Verfolgtengruppen sowie personelle Kontinuitäten in Justiz und Strafvollzug in der Bundesrepublik thematisiert.

Bitte helfen Sie durch Ihre Erinnerungen auf das Unrecht des §175 aufmerksam zu machen.

Uns ist es wichtig, mit der neuen Dauerausstellung sowohl auf die kontinuierliche strafrechtliche Verfolgung als auch auf die damit zusammenhängende gesellschaftliche Diskriminierung Homosexueller hinzuweisen. Daher sind wir ganz besonders an Kontakten zu Betroffenen und ihren persönlichen und individuellen Schicksalen interessiert.

Jeder Hinweis ist willkommen.

Wir bitten Sie herzlich um Kontaktaufnahme. Ihren Wunsch ggf. anonym zu bleiben, respektieren wir. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen der Gedenkstätte stehen Ihnen für Nachfragen gern zur Verfügung, insbesondere Ina Stenger.

Neugestaltungsprojekt der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Rennelbergstraße 11

38114 Braunschweig

Tel.: +49 (0) 531 – 488-1604

Fax: +49 (0) 531 – 488 1607

Ina.Stenger@stiftung-ng.de

wolfenbuettel.stiftung-ng.de

blog.neugestalten-gwf.de

Unser Zeitzeugenaufruf wurde auch auf der Seite des Lesben- und Schwulenverbandes Niedersachsen-Bremen veröffentlicht.

Im Namen meiner Kolleg_innen bedanke ich mich für Ihre Mithilfe!

Martina Staats,

Leiterin der Gedenkstätte

Bildungsprogramm KogA

Als wissenschaftliche Volontärin durfte ich am Bildungsprogramm des Projektes „Kompetent gegen Antiziganismus“ teilnehmen. In diesem Jahr richten sich die vier Module vor allem an Personen aus der sozialen Arbeit und der öffentlichen Verwaltung.

Das erste Modul fand bereits im März statt. Es sensibilisierte die Teilnehmer für die jahrhundert lange Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma. In diesem Zusammenhang haben wir z.B. die KZ-Gedenkstätte Bergen Belsen besucht.

Das zweite Modul im Mai beschäftigte sich mit den heutigen Diskriminierungsformen in Verwaltung, Medien, Gesellschaft und co. Neben spannenden Inputs wurde u.a. gemeinsam über die aktuelle Flucht- und Migrationssituation von Roma, über Grund- und Menschenrechte sowie über Möglichkeiten diskriminierungsarmen Verwaltungshandeln diskutiert.

Besonders gut hat mir gefallen, dass an beiden Modulen Roma und Sinti teilgenommen haben, die nicht nur ihr Fachwissen, sondern auch ihre persönlichen Lebens- und Leidenswege vermittelt haben. Dies war besonders eindrücklich.

Titelbild: Marion Seibel/ KogA

Bundesvolontärstagung 2017

Ein Bericht von Lukkas Busche und Ina Stenger:

Als wissenschaftliche Volontäre der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel waren wir vom 3. bis 5. März auf der Bundesvolontärstagung. Insgesamt 270 Volontär_innen aus verschiedenen Museen, Gedenkstätten und Einrichtungen der Denkmalpflege tagten in Berlin, um sich über ihren Arbeitsalltag, berufliche Ziele und museumsrelevante Themen auszutauschen.

Die Veranstaltung stand dieses Jahr unter dem Motto „Ist weniger gleich mehr? Museen zwischen Kernaufgaben und Kulturkonsum“. Hierzu gab es spannende Impulsreferate, die unter anderem die Fragen aufwarfen, wie viele Sonderausstellungen ein Museum schaffen kann (Anja Dauscheck, Altonaer Museum Hamburg) und ob Sammlungen  grundsätzlich reduziert („entsammelt“ ) werden sollten (Lèontine Meijer-van Mensch, Jüdisches Museum Berlin).

Außerdem wurde ein Barcamp auf die Beine gestellt, das wir nutzten, um uns mit Volontär_innen aus anderen Gedenkstätten zu vernetzen und über gedenkstättenspezifische Themen zu diskutieren.

Am letzten Tag reisten wir nach Frankfurt/Oder und besuchten die Gedenk- und Dokumentationsstätte „Opfer politischer Gewaltherrschaft 1933-1945/ 1945-1989“. Als ehemaliges Gestapogefängnis, Hinrichtungsstätte und Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit bot diese Einrichtung viele thematische Anknüpfungspunkte an unsere Arbeit in Wolfenbüttel. Wir möchten dem Volontär Karl-Konrad Tschäpe herzlich dafür danken, dass er uns nicht nur einen Rundgang durch die Gedenkstätte ermöglichte, sondern auch eine historische Stadtführung gab.

Lukkas Busche und Karl-Konrad Tschäpe in der Gedenk- und Dokumentationsstätte Frankfurt/Oder. Foto: Ina Stenger

Beitragsbild: BVT1, ©Philipp S. Wolff, Wolffskind Production

Austausch mit Kolleg_innen

Am 6. und 7. Oktober 2016 fand das dritte Treffen des Arbeitskreises der Justizgedenkstätten statt. Kolleg_innen aus sechs verschiedenen Einrichtungen, die sich mit den Themen Justizverbrechen und Strafvollzug beschäftigen, tagten in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel. Die zweitägige Veranstaltung diente vor allem der Vernetzung und dem Austausch über gemeinsame Fragestellungen und Projektideen.

Der Kollegenkreis nutzte die Zeit, um laufende Projekte gemeinsam zu  diskutieren. So stellte Lars Skowronski, Mitarbeiter der Gedenkstätte Roter Ochse (Halle/ Saale), ein Forschungs- und Ausstellungsprojekt über das Reichskriegsgericht vor. Birgit Sack, Leiterin der Gedenkstätte Münchener Platz (Dresden), präsentierte beispielweise eine Onlinedatenbank mit Namen von Hingerichteten aus Tschechien.

Der Input zu den einzelnen Beiträgen führte zu gemeinsamen Diskursen, wie etwa der Frage nach den Möglichkeiten, Justizgeschichte ansprechend präsentieren zu können und den Opfern von Hinrichtungen zu gedenken.

Der Kollegenkreis nutze außerdem die Gelegenheit, die neugestaltete Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, den Gedenkort Schießstand Braunschweig-Buchhorst und den Friedhof Lindener Straße Wolfenbüttel zu besichtigen.

Aussenansicht der Baracke 13 mit seitlichem Kellerabgang in der Köllnischen Straße 17

Inschriften und bauliche Relikte der Baracke 13

Die Baracke 13 im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit ist von allen Unterkunftsbaracken des ab Sommer 1943 erbauten Lagers am besten erhalten. Eine Besonderheit ist, dass sich unterhalb dieser Baracke ein Luftschutzkeller befand. 2010 wurde sie als architektonisches Bauzeugnis restauriert. An vielen Kellerwänden lassen sich – nun geschützt hinter Glas – Inschriften italienischer Zwangsarbeiter finden.

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Inschriften im Keller der Baracke 13: italienische Worte, Namen und Daten von Luftangriffen aus der letzten Kriegsphase. Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Neben dem sind zahlreiche bauliche Details erhalten, wie z.B. die Fenster und ein Teil der Fensterläden sowie originale Oberflächen im Inneren des Gebäudes. Gestalterisch beeindruckte uns hier die zurückhaltende Kommentierung des Ortes durch Ausstellungs- bzw. Textflächen zu Aspekten des Lageralltags, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Eine behutsame Gestaltung, die wir uns auch für die baulichen Großexponate und historischen Orte der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel wünschen.

Ein Materialkoffer zum Thema Zwangsarbeit. Foto: Stefan Wilbricht/Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Ein Materialkoffer zum Thema Zwangsarbeit

Für die Vermittlungsarbeit der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel soll für das Schuljahr 2015/16 ein Material- und Methodenkoffer konzipiert werden, der die Möglichkeit bietet, mit verschiedensten Materialien und Objekten in das Thema Strafvollzug und Justiz im NS einzusteigen. Um für die Entwicklung des Koffers Anregungen zu finden, besuchten wir das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide. Dort stellte uns die Mitarbeiterin Daniela Geppert den Materialkoffer Zwangsarbeit vor.

Aufgerufen von Denk-mal-an-Berlin e.V. beschäftigten sich Zehntklässler einer Neuköllner Oberschule 2014 mit dem Thema Zwangsarbeit und brachten ihre Erwartungen, Wünsche und Interessen in die Entwicklung des Koffers ein. So wurde der ursprüngliche Ansatz, einen Zugang zur Geschichte der Zwangsarbeit über das Objekt zu schaffen, um die persönliche Geschichte einer polnischen Zwangsarbeiterin und eines niederländischen Zwangsarbeiters erweitert. Die beiden Leitbiografien werden durch historische Dokumente, Karten, Fotografien und Objekte ergänzt. Die Materialien kommen aus der Sammlung des Dokumentationszentrums sowie aus den Interview-Beständen des Projekts Zwangsarbeit 1939-1945 Erinnerungen und Geschichte.

Kleingruppen erarbeiten anhand von Objekten und mit Hilfe von Leitfragen, Aufgaben- und Infokarten verschiedene Themenbereiche, bspw. zu Arbeit, Alltag, Lebensbedingungen, Selbstbehauptung, Ernährung, Hygiene, Unterkunft, Entschädigung und Gedenken. Die Objektkästchen enthalten teilweise originale Fundstücke wie Stacheldraht, Glasstücke, Steine, eine Gedenkschleife oder die Fehlproduktion eines Stolpersteins, teilweise Reproduktionen wie Abzeichen, ein Stück Seife, das Sample eines Strohsacks, Kondome der Firma Fromms, eine Essschüssel, eine Brotattrappe, einen Rosenkranz etc.

Mittlerweile gibt es drei identische Materialkoffer, die zusammen mit pädagogischen Konzepten für Projektstunden, -tage oder -wochen von Schulen ausgeliehen werden können. Gerade für Inklusionsklassen mit blinden Schüler_innen eignet sich der Zugang über Objekte zum Ertasten und Anfassen.

„Mit Tränen in den Augen sieht man nicht gut“

Geschichtslabor und Gestapo-Keller. Ein Besuch im EL-DE-Haus in Köln.

Barbara Kirschbaum (Museumsdienst) erläuterte uns ihre Arbeit im Geschichtslabor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln.

Ein Raum, der mit den Erwartungshaltungen der Besucher bricht. Von der Decke hängen hunderte Alltagsgegenstände aus den 1930er und 40er Jahren. Das Geschichtslabor bietet einen aktiven Zugang zu der Frage: Wie funktionierte die NS-Gesellschaft? Die Gegenstände an der Decke sind verknüpft durch Fragen, deren Antworten sich in Schränken und Schubladen verbergen. Kleingruppen können sich spielerisch und selbstständig mit dem Thema Jugend im Nationalsozialismus auseinandersetzen.

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Barbara Kirschbaum erläutert die Bildungsarbeit im Geschichtslabor. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Martina Staats

Die Arbeit im Labor ist ein Teil des Workshop-Angebots, zu dem auch ein Rundgang durch die Ausstellung sowie der (freiwillige) Besuch der ehemaligen Gestapo-Zellen im Keller gehört. Für Barbara Kirschbaum ist auch hier das leitende Thema: In- bzw. Exklusion der Volksgemeinschaft.

„Das Haus ist das Original“

– so der Leiter des NS-Dokumentationszentrums, Dr. Werner Jung.

1935 übernahm die Gestapo Köln das leerstehende Haus und richtete hier ihre Zentrale mit eigenem Hausgefängnis ein. Zum Teil zehnfach überbelegt mussten Häftlinge in den kleinen Zellen Wochen und oder gar Monate verbringen.

Von Kriegsschäden verschont und später als Aktenlager der Rentenstelle genutzt blieb das Gebäude wie auch die rund 1.800 selbständigen Inschriften und Zeichnungen der Gefangenen an den Zellenwänden erhalten.

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Inschriften in einer der Zellen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Anett Dremel

Ob mit Lippenstift gemalt oder mit dem Fingernagel in den Gips geritzt, die Inschriften sind beeindruckendes Zeugnis der hier inhaftierten, gefolterten und ermordeten Menschen.

Gedenkort
SA-Gefängnis Papestraße

Die Kuratorin Dr. Irene von Götz begleitete uns durch die Ausstellung im Berliner Gedenkort SA-Gefängnis Papestaße. Überbauungen und auffällige Texttafeln wurden in den weitgehend erhaltenen Keller­räumen des ehemaligen SA-Gefängnisses vermieden. Nur wenige prägnante historische Quellen zeichnen Haftabläufe nach, besondere Wandinschriften wie Bleistiftzeichnungen in Form von NS-Symbolen und das Porträt eines jüdischen Häftlings werden hinter Glas gesichert und mit Spots angeleuchtet – Ausstellungsgestaltung: http://www.kp-sperlich.com/.
Die SA-Feldpolizei nutzte die Kellerräume des ehemaligen Kasernengebäudes in der General-Pape-Straße von März bis Dezember 1933 als Haftstätte. Sie inhaftierte, verhörte und folterte politische Gegner_innen, Jüd_innen und andere verfolgte Gruppen. Rund 30 Personen kamen während der Haft oder in Folge ums Leben. Heute sind etwa 500 Häftlinge namentlich bekannt.
Bereits gegen Ende der 1970er Jahre machten antifaschistischen Initiativen die Geschichte des Ortes öffentlich. Mit der Gründung der Geschichtswerkstatt Papestraße zu Beginn der 1990er Jahre begann eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ort, die in eine 2013 eröffnete Dauerausstellung mündete.

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Hörstationen im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Stefan Wilbricht

An bestimmten Orten lösen Bewegungsmelder Tondokumente mit thematischen Ortsbezügen aus. Zu hören sind Auszüge aus zeitgenössischen Haftberichten, die für die Ausstellung von Schauspieler_innen vertont wurden. Bei Gruppenführungen können die Tondokumente mobil per Bluetooth ausgelöst werden – Medien: http://www.thegreeneyl.com/work.

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Gedenkraum im ehemaligen SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Stefan Wilbricht

In einem abgedunkelten Gedenkraum projizieren Beamer die Namen der bekannten Todesopfer durch eine ausgestanzte Metallplatte in den Raum. So entsteht eine zeitlich variable Projektion, die sich auch auf den Besucher_innen abbildet.

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Das Bildungsangebot im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel/ Stefan Wilbricht

Vertiefende Bildungsangebote für Jugendliche wurden gemeinsam mit dem Jugend Museum in Berlin-Schöneberg entwickelt. Bis auf einige Video-Interviews mit Zeitzeugen, Angehörigen, Anwohnern, Besuchern und Ausstellungsbeteiligten wird auf digitale Medien verzichtet. Stattdessen werden Dokumenten-Boxen eingesetzt, die mit Zitaten, Infos und Biografien angefüllt sind, Karteikarten dienen als Glossar. In einem Schaukasten können Statements hinterlassen werden, die für die nächsten Besuchergruppen sichtbar bleiben.

Ungewöhnliche Wege geht der Gedenkort auch in der Öffentlichkeitsarbeit, so ist das SA-Gefängnis ein Schauplatz in Volker Kutschers neuem Roman „Märzgefallene“.