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„Mit Tränen in den Augen sieht man nicht gut“

Geschichtslabor und Gestapo-Keller. Ein Besuch im EL-DE-Haus in Köln.

Barbara Kirschbaum (Museumsdienst) erläuterte uns ihre Arbeit im Geschichtslabor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln.

Ein Raum, der mit den Erwartungshaltungen der Besucher bricht. Von der Decke hängen hunderte Alltagsgegenstände aus den 1930er und 40er Jahren. Das Geschichtslabor bietet einen aktiven Zugang zu der Frage: Wie funktionierte die NS-Gesellschaft? Die Gegenstände an der Decke sind verknüpft durch Fragen, deren Antworten sich in Schränken und Schubladen verbergen. Kleingruppen können sich spielerisch und selbstständig mit dem Thema Jugend im Nationalsozialismus auseinandersetzen.

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Barbara Kirschbaum erläutert die Bildungsarbeit im Geschichtslabor. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Martina Staats

Die Arbeit im Labor ist ein Teil des Workshop-Angebots, zu dem auch ein Rundgang durch die Ausstellung sowie der (freiwillige) Besuch der ehemaligen Gestapo-Zellen im Keller gehört. Für Barbara Kirschbaum ist auch hier das leitende Thema: In- bzw. Exklusion der Volksgemeinschaft.

„Das Haus ist das Original“

– so der Leiter des NS-Dokumentationszentrums, Dr. Werner Jung.

1935 übernahm die Gestapo Köln das leerstehende Haus und richtete hier ihre Zentrale mit eigenem Hausgefängnis ein. Zum Teil zehnfach überbelegt mussten Häftlinge in den kleinen Zellen Wochen und oder gar Monate verbringen.

Von Kriegsschäden verschont und später als Aktenlager der Rentenstelle genutzt blieb das Gebäude wie auch die rund 1.800 selbständigen Inschriften und Zeichnungen der Gefangenen an den Zellenwänden erhalten.

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Inschriften in einer der Zellen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Anett Dremel

Ob mit Lippenstift gemalt oder mit dem Fingernagel in den Gips geritzt, die Inschriften sind beeindruckendes Zeugnis der hier inhaftierten, gefolterten und ermordeten Menschen.

Gedenkort
SA-Gefängnis Papestraße

Die Kuratorin Dr. Irene von Götz begleitete uns durch die Ausstellung im Berliner Gedenkort SA-Gefängnis Papestaße. Überbauungen und auffällige Texttafeln wurden in den weitgehend erhaltenen Keller­räumen des ehemaligen SA-Gefängnisses vermieden. Nur wenige prägnante historische Quellen zeichnen Haftabläufe nach, besondere Wandinschriften wie Bleistiftzeichnungen in Form von NS-Symbolen und das Porträt eines jüdischen Häftlings werden hinter Glas gesichert und mit Spots angeleuchtet – Ausstellungsgestaltung: http://www.kp-sperlich.com/.
Die SA-Feldpolizei nutzte die Kellerräume des ehemaligen Kasernengebäudes in der General-Pape-Straße von März bis Dezember 1933 als Haftstätte. Sie inhaftierte, verhörte und folterte politische Gegner_innen, Jüd_innen und andere verfolgte Gruppen. Rund 30 Personen kamen während der Haft oder in Folge ums Leben. Heute sind etwa 500 Häftlinge namentlich bekannt.
Bereits gegen Ende der 1970er Jahre machten antifaschistischen Initiativen die Geschichte des Ortes öffentlich. Mit der Gründung der Geschichtswerkstatt Papestraße zu Beginn der 1990er Jahre begann eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ort, die in eine 2013 eröffnete Dauerausstellung mündete.

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Hörstationen im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Stefan Wilbricht

An bestimmten Orten lösen Bewegungsmelder Tondokumente mit thematischen Ortsbezügen aus. Zu hören sind Auszüge aus zeitgenössischen Haftberichten, die für die Ausstellung von Schauspieler_innen vertont wurden. Bei Gruppenführungen können die Tondokumente mobil per Bluetooth ausgelöst werden – Medien: http://www.thegreeneyl.com/work.

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Gedenkraum im ehemaligen SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Stefan Wilbricht

In einem abgedunkelten Gedenkraum projizieren Beamer die Namen der bekannten Todesopfer durch eine ausgestanzte Metallplatte in den Raum. So entsteht eine zeitlich variable Projektion, die sich auch auf den Besucher_innen abbildet.

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Das Bildungsangebot im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel/ Stefan Wilbricht

Vertiefende Bildungsangebote für Jugendliche wurden gemeinsam mit dem Jugend Museum in Berlin-Schöneberg entwickelt. Bis auf einige Video-Interviews mit Zeitzeugen, Angehörigen, Anwohnern, Besuchern und Ausstellungsbeteiligten wird auf digitale Medien verzichtet. Stattdessen werden Dokumenten-Boxen eingesetzt, die mit Zitaten, Infos und Biografien angefüllt sind, Karteikarten dienen als Glossar. In einem Schaukasten können Statements hinterlassen werden, die für die nächsten Besuchergruppen sichtbar bleiben.

Ungewöhnliche Wege geht der Gedenkort auch in der Öffentlichkeitsarbeit, so ist das SA-Gefängnis ein Schauplatz in Volker Kutschers neuem Roman „Märzgefallene“.