Archiv für den Monat: April 2015

„Es lebe das Recht und die Demokratie und die Menschenwürde“

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel organisierte die Gedenkstätte zusammen mit der JVA Wolfenbüttel am 11. April eine Gedenkveranstaltung in der Kirche der Vollzugsanstalt.

Vor 200 geladenen Gästen erinnerte die niedersächsische Ministerin für Justiz, Antje Niewisch-Lennartz, in ihrer Rede an die

„[…] Befreiung von einer Diktatur, deren Herrschaftssystem ganz maßgeblich von der deutschen Justiz abgesichert, gestützt und durchgesetzt worden war.“

Frauke Heiligenstadt, Ministerin für Kultur in Niedersachsen, betonte angesichts der alltäglichen Arbeit Gedenkstätte und ihrer geplanten Neugestaltung zudem,

„[…] dass wir heute 70 Jahre nach der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel und in
Anwesenheit von Familienangehörigen sagen können, dass wir nicht nachlassen in unserem
Bemühen um Aufarbeitung, Dokumentation, Gedenken, Aufklärung und
Verdeutlichung der Zusammenhänge.“ (Die vollständige Rede finden Sie hier)

Frauke Heiligenstadt bei Ihrer Rede zum 70. Jahrestag der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel. Foto: Gedenkstätte in der JVA olfenbüttel/ Yvonne Salzmann.

Frauke Heiligenstadt bei Ihrer Rede zum 70. Jahrestag der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel. Foto: Gedenkstätte in der JVA olfenbüttel/ Yvonne Salzmann.

Ehrengäste der Gedenkfeier waren die aus Deutschland und Norwegen angereisten Familienangehörigen von im Strafgefängnis Wolfenbüttel zwischen 1933 und 1945 Inhaftierter und Hingerichteter. Teilweise besuchten sie erstmals den Ort, an dem ihre Angehörigen inhaftiert waren oder ermordet wurden. Vielen ist der Besuch nicht leicht gefallen. In Gesprächen gaben sie ihrer Beklemmung diesen Ort zu besuchen Ausdruck. Sie berichteten auch von dem anhaltenden Gefühl der Stigmatisierung von Opfern der NS-Justiz in Deutschland.

Uns Mitarbeitern der Gedenkstätte und des Neugestaltungsprojektes führte dies einmal mehr sehr eindrücklich vor Augen, wie wichtig die Aufarbeitung von Verbrechen der NS-Justiz 70 Jahre später noch immer ist und welcher Weg noch vor uns liegt.

“Kritisches Geschichtsbewusstsein in die Gesellschaft tragen”

Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, gab dem Internet-Magazin Publikative.org der Amadeu Antonio Stiftung ein Interview. Im Vorfeld der 70. Jahrestage der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel und des Konzentrationslagers Bergen-Belsen dreht sich das Gespräch um neue Herausforderungen der Gedenkstättenarbeit und um die Zukunft der Erinnerungskultur.

 

„Mit Tränen in den Augen sieht man nicht gut“

Geschichtslabor und Gestapo-Keller. Ein Besuch im EL-DE-Haus in Köln.

Barbara Kirschbaum (Museumsdienst) erläuterte uns ihre Arbeit im Geschichtslabor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln.

Ein Raum, der mit den Erwartungshaltungen der Besucher bricht. Von der Decke hängen hunderte Alltagsgegenstände aus den 1930er und 40er Jahren. Das Geschichtslabor bietet einen aktiven Zugang zu der Frage: Wie funktionierte die NS-Gesellschaft? Die Gegenstände an der Decke sind verknüpft durch Fragen, deren Antworten sich in Schränken und Schubladen verbergen. Kleingruppen können sich spielerisch und selbstständig mit dem Thema Jugend im Nationalsozialismus auseinandersetzen.

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Barbara Kirschbaum erläutert die Bildungsarbeit im Geschichtslabor. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Martina Staats

Die Arbeit im Labor ist ein Teil des Workshop-Angebots, zu dem auch ein Rundgang durch die Ausstellung sowie der (freiwillige) Besuch der ehemaligen Gestapo-Zellen im Keller gehört. Für Barbara Kirschbaum ist auch hier das leitende Thema: In- bzw. Exklusion der Volksgemeinschaft.

„Das Haus ist das Original“

– so der Leiter des NS-Dokumentationszentrums, Dr. Werner Jung.

1935 übernahm die Gestapo Köln das leerstehende Haus und richtete hier ihre Zentrale mit eigenem Hausgefängnis ein. Zum Teil zehnfach überbelegt mussten Häftlinge in den kleinen Zellen Wochen und oder gar Monate verbringen.

Von Kriegsschäden verschont und später als Aktenlager der Rentenstelle genutzt blieb das Gebäude wie auch die rund 1.800 selbständigen Inschriften und Zeichnungen der Gefangenen an den Zellenwänden erhalten.

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Inschriften in einer der Zellen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Anett Dremel

Ob mit Lippenstift gemalt oder mit dem Fingernagel in den Gips geritzt, die Inschriften sind beeindruckendes Zeugnis der hier inhaftierten, gefolterten und ermordeten Menschen.