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73. Jahrestag der Befreiung

Anlässlich des 73. Jahrestags der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel am 11. April 1945 veranstaltete die Gedenkstätte am letzten Sonntag das dritte Familientreffen für Angehörige von in der NS-Zeit Hingerichteten und Inhaftierten. In diesem Jahr nahmen Angehörige aus Belgien, Dänemark, Niederlande und Deutschland am Familientreffen teil, um gemeinsam mit den Mitarbeiter_innen der Gedenkstätte und des Neugestaltungsprojekts den Opfern der Justiz und des Strafvollzugs im Nationalsozialismus zu gedenken.

Familienagehörige von in der NS-Zeit Hingerichteten und Inhaftierten im Gespräch mit Mitarbeiter_innen der Gedenkstätte und des Neugestaltungsprojekts / Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Familienagehörige von in der NS-Zeit Hingerichteten und Inhaftierten im Gespräch mit Mitarbeiter_innen der Gedenkstätte und des Neugestaltungsprojekts / Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Das Familientreffen fand erstmals 2016 statt und dient den Angehörigen als Ort des informellen Austauschs untereinander, in einem privaten Rahmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Erfahrungen der Familien im Umgang mit der eigenen Geschichte und das Gedenken ihrer Angehörigen stehen im Zentrum der Veranstaltung. Das Team der Gedenkstätte und des Neugestaltungsprojekts begleitete die Gäste an diesem Tag, unterstützte, informierte und stand für Fragen bereit.

Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte, informierte die Anwesenden über die Arbeit der Gedenkstätte und den aktuellen Stand des Neugestaltungsprojekts, das im Frühling einen ersten Abgabetermin für Inhalte der neuen Ausstellung vorsieht.

Maria Bormuth, die zur strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer und den dadurch entstandenen gesellschaftlichen Zwängen forscht, stellte das Projekt „§ 175 StGB – 20 Jahre legitimiertes Unrecht in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel des Strafvollzugs in Wolfenbüttel“ vor.

Alexandra Hupp und Gustav Partington auf dem städtischen Friedhof Lindener Straße in Wolfenbüttel / Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Alexandra Hupp und Gustav Partington auf dem städtischen Friedhof Lindener Straße in Wolfenbüttel / Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Auf dem städtischen Friedhof Lindener Straße erläuterte Gustav Partington gemeinsam mit Alexandra Hupp von der Stadt Wolfenbüttel die Fortschritte im Projekt zur Aufstellung einer Erinnerungstafel für die Hingerichteten, die an die Anatomie in Göttingen abgegeben wurden und deren Familien bis heute keinen Ort zum Trauern und Erinnern haben.

Am Ende des Familientreffens fand in der ehemaligen Hinrichtungsstätte eine Gedenkzeremonie mit Kranzniederlegung statt.

„Seht da, der Mensch“

Anlässlich des 77. Jahrestages der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel veranstalteten die Pfarrei St. Petrus, die Kolpingfamilie Wolfenbüttel, Amnesty International und die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel am 11. April einen Gedenkgottesdienst. Unter dem Titel „Seht da, der Mensch“ war die Feier in der St. Petrus Kirche den Lebensgeschichten von Wilhelm Schulze und Fernande Mathieu  gewidmet.

Der Güterbahnarbeiter des Uelzener Bahnhof Wilhelm Schulze wurde wegen mehrerer kleinerer Diebstähle im August 1943 als sog. „Volksschädling“ vor dem Sondergericht Hannover zum Tode verurteilt. Er hatte Lebensmittel, Kleidung und Genussmittel entwendet. Als er am 29. September 1943 im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet wurde, hinterließ er vier kleine Kinder und seine Ehefrau.

Fernande Mathieu (* 7.10.1920) , eine französische Hutmacherin, gehörte einer Widerstandsgruppe in Brüssel an, die Flugblätter verteilte und Waffen versteckte. Die junge Mathieu wurde im September 1943 als sog. „Nacht und Nebel“-Gefangene nach Deutschland verschleppt, zum Tode verurteilt und am 7. August 1944 im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet.

Die Gemeinde gedachte neben Wilhelm Schulze und Fernande Mathieu über 520 Menschen, die im Strafgefängnis Wolfenbüttel zwischen 1937 und 1945 hingerichtet wurden.

Ganz besonders lag uns die Teilnahme der Familie von Wilhelm Schulze am Herzen, die sich durch Fürbitten gegen das Vergessen am Gottesdienst beteiligte. Im Anschluss bot sich die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Gespräch im Roncallihaus.

Eröffnung des ersten Bauabschnitts der Neugstaltung

In Anwesenheit von zahlreichen Gästen wurde im Rahmen einer Feierstunde am 25. August 2016 der erste Abschnitt der Neugestaltung der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel abgeschlossen.

In zweijähriger Arbeit wurde die ehemalige Hinrichtungsstätte umfassend restauriert und bauhistorisch erschlossen. Zudem wurden ehemalige Gemeinschaftszellen als Großexponate freigestellt und als multimediale Lernräume für die Gruppenarbeit ausgebaut.

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Conny Schmidthals/ Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt zeigte sich insbesondere von den neu entwickelten Multi-Touch-Tischen beeindruckt, die ihr von Schüler_innen der IGS Wallstraße und des Wolfenbütteler Theodor-Heuss-Gymnasiums vorgestellt wurden. Sie bieten für Besucher die Möglichkeit sich mit digital aufbereitetem Quellenmaterial zur Geschichte der Justizverbrechen im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.

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Verena Sohns/ Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Sie würdigte die Neugestaltung als Beleg der „herausragenden gesellschaftlichen Relevanz, die Gedenkstätten als zentrale Erinnerungs- und Lernorte auch mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch besitzen“.

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Verena Sohns/ Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Unter den vielen Gästen waren auch 20 Angehörige von Gefangenen und Hingerichteten, die u.a. aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden anreisten. Für sie war die Besichtigung des ehemaligen Hinrichtungsgebäudes besonders bedrückend. Bei einer Vorabbesichtigung mit den Mitarbeiter_innen der Gedenkstätte würdigten sie die Ergebnisse der Neugestaltung.

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Verena Sohns/ Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

 

„Es lebe das Recht und die Demokratie und die Menschenwürde“

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel organisierte die Gedenkstätte zusammen mit der JVA Wolfenbüttel am 11. April eine Gedenkveranstaltung in der Kirche der Vollzugsanstalt.

Vor 200 geladenen Gästen erinnerte die niedersächsische Ministerin für Justiz, Antje Niewisch-Lennartz, in ihrer Rede an die

„[…] Befreiung von einer Diktatur, deren Herrschaftssystem ganz maßgeblich von der deutschen Justiz abgesichert, gestützt und durchgesetzt worden war.“

Frauke Heiligenstadt, Ministerin für Kultur in Niedersachsen, betonte angesichts der alltäglichen Arbeit Gedenkstätte und ihrer geplanten Neugestaltung zudem,

„[…] dass wir heute 70 Jahre nach der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel und in
Anwesenheit von Familienangehörigen sagen können, dass wir nicht nachlassen in unserem
Bemühen um Aufarbeitung, Dokumentation, Gedenken, Aufklärung und
Verdeutlichung der Zusammenhänge.“ (Die vollständige Rede finden Sie hier)

Frauke Heiligenstadt bei Ihrer Rede zum 70. Jahrestag der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel. Foto: Gedenkstätte in der JVA olfenbüttel/ Yvonne Salzmann.

Frauke Heiligenstadt bei Ihrer Rede zum 70. Jahrestag der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel. Foto: Gedenkstätte in der JVA olfenbüttel/ Yvonne Salzmann.

Ehrengäste der Gedenkfeier waren die aus Deutschland und Norwegen angereisten Familienangehörigen von im Strafgefängnis Wolfenbüttel zwischen 1933 und 1945 Inhaftierter und Hingerichteter. Teilweise besuchten sie erstmals den Ort, an dem ihre Angehörigen inhaftiert waren oder ermordet wurden. Vielen ist der Besuch nicht leicht gefallen. In Gesprächen gaben sie ihrer Beklemmung diesen Ort zu besuchen Ausdruck. Sie berichteten auch von dem anhaltenden Gefühl der Stigmatisierung von Opfern der NS-Justiz in Deutschland.

Uns Mitarbeitern der Gedenkstätte und des Neugestaltungsprojektes führte dies einmal mehr sehr eindrücklich vor Augen, wie wichtig die Aufarbeitung von Verbrechen der NS-Justiz 70 Jahre später noch immer ist und welcher Weg noch vor uns liegt.