Archiv für den Monat: Oktober 2018

Der Wolfenbüttel-Prozess in Belgien

Das belgische Forschungsprojekt JUSINBELLGIUM arbeitet zurzeit an der Digitalisierung von Akten des Wolfenbüttel Prozesses, der 1950 vor einem Kriegsgericht in Brüssel stattfand. Sechs frühere Bedienstete des Strafgefängnisses standen damals wegen Kriegsverbrechen vor Gericht. Die Gerichtsakten enthalten eine Fülle bisher unbekannten Materials und stellen eine wertvolle Quelle für unsere Recherchen dar.

JUSINBELLGIUM ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt mit Beteiligung der Freien Universität Brüssel (ULB), des Belgischen Staatsarchivs, der Katholischen Universität Leuven und der Philipps-Universität in Marburg (International Research and Documentation Center for War Crimes Trials). Das Projekt beschäftigt sich mit Kriegsverbrecherprozessen in Belgien seit den 1920er Jahren und stellt die digitalisierten Gerichtsakten im Online Portal des Internationalen Strafgerichtshofs (Legal Tools) für die weitere Forschung zum Download bereit.

In Kürze werden auch die Akten des belgischen Wolfenbüttel Prozesses online zugänglich sein. Die Projektkoordinator_innen Prof. Dr. Pieter Lagrou und Dr. Ornella Rovetta von der ULB sowie Dr. Delphine Lauwers vom Belgischen Staatsarchiv haben uns die bereits digitalisierten Dokumente aber freundlicherweise schon vorab zur Verfügung gestellt.

Weitere Informationen zu JUSINBELLGIUM und Legal Tools:

https://jusinbell.hypotheses.org/

http://www.legal-tools.org/browse/

Richtfest für den Neubau

In Anwesenheit zahlreicher Gäste aus dem In- und Ausland, darunter Landtagsvizepräsident Bernd Busemann und Angehörige von im Nationalsozialismus Hingerichteten und Inhaftierten, wurde in Wolfenbüttel in der letzten Woche das Richtfest für das neue Dokumentationszentrum der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel gefeiert.

Kultusminister Grant Hendrik Tonne sowie Finanzminister Reinhold Hilbers hoben die internationale Bedeutung des Gedenkstätte hervor und dankten den Planern sowie Bauleuten für ihr Engagement bei der Errichtung des Dokumentationszentrums, das seinen Besuchern die Möglichkeit geben soll, sich intensiv mit der Geschichte der Justiz und des Strafvollzugs im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen – samt den Brüchen und Kontinuitäten nach 1945.

Grant Hendrik Tonne (Foto: Jesco Denzel)

Grant Hendrik Tonne (Foto: Jesco Denzel)

Gedenkstättenleiterin Martina Staats verwies auf die Folgen, die die Verbrechen an den Gefangenen auf deren Angehörige hatten. Im Unterschied zu ehemaligen KZ-Häftlingen waren die NS-Justizgefangenen auch nach 1945 noch lange mit dem Stigma des „Kriminellen“ behaftet, auch wenn es sich um Widerstandskämpfer handelte. Frau Staats dankte zudem der JVA und ihrem Leiter Dieter Münzebrock, dass der Gedenkstättenneubau auf dem JVA-Gelände errichtet werden kann.

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel wird von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten getragen. Deren Geschäftsführer Dr. Jens-Christian Wagner hob mit Verweis auf die Erfolge rechtsnationaler Parteien aktuelle Bezüge beim Blick auf die NS-Justiz hervor: „Die Nazis vertraten die Ideologie einer homogenen Gesellschaft, eine Ideologie, die als ‚gefährlich‘ bezeichnet, wer anders ist, und die fordert, diese Menschen wegzuschließen oder auszuweisen. Diese Ideologie gewinnt derzeit immer mehr Anhänger – und das nicht nur in Chemnitz, sondern überall in Deutschland und darüber hinaus.“ In Wolfenbüttel könne man lernen, welche Folgen eine solche Ideologie habe.

 

Titelfoto:

Feierten das Richtfest des Dokumentationszentrums Wolfenbüttel (v.l.n.r.): Landtagsabgeordneter Christoph Bratmann (SPD); Karl-Michael Hess, Staatliches Baumanagement Braunschweig; Landtagsvizepräsident Bernd Busemann (CDU); Kultusminister Grant Hendrik Tonne; Finanzminister Reinhold Hilbers; Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel; Thomas Popp, Leiter des Staatlichen Baumanagements Braunschweig; Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten; Dieter Münzebrock, Anstaltsleiter der JVA Wolfenbüttel; Architekt Henner Winkelmüller (Foto: Jesco Denzel).