Schlagwort-Archive: NS-Strafvollzug

Foto: Maria Bormuth

Vortrag über politische Inhaftierte im Strafgefängnis Wolfenbüttel

Am 22. März 2018 hat unsere Kollegin Anett Dremel in der Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße einen Vortrag gehalten. Unter dem Titel „‚[…] trotz der langen Schutzhaft nicht zur Einsicht gekommen […]‘ – Politische Verfolgte im Strafgefängnis Wolfenbüttel 1933-1939“ hat sie einen Einblick in aktuelle Recherchen zur Geschichte des Strafgefängnisses Wolfenbüttel gegeben. Die Ankündigung der Veranstaltung war auf reges Interesse gestoßen.

Die studierte Politologin erläuterte nicht nur die ab 1933 neu geschaffenen rechtlichen Grundlagen zur strafrechtlichen Verfolgung von vermeintlich politisch motivierten Straftaten, wie illegalen Versammlungen, das Verteilen von Flugblättern oder kritischen Meinungsäußerungen. Ein weiteres wichtiges Kapitel nahmen die Veränderung im System des Strafvollzugs nach 1933 und die Situation der politischen Inhaftierten in Wolfenbüttel ein.

Auf diese Weise gab Anett Dremel dem Publikum einen ersten spannenden Einblick in ihre aktuelle Forschungsarbeit, deren Ergebnisse in die neue Dauerausstellung der Gedenkstätte einfließen werden.

Treffen des Arbeitskreises Justizgedenkstätten

Am 7. und 8. September 2017 fand das jährliche Treffen des „Arbeitskreises Justizgedenkstätten“ in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Dortmund statt. Zum vierten Mal kamen Kolleg_innen aus verschiedenen Justiz- und Haftgedenkstätten zu einem fachlichen Austausch zusammen, darunter u.a. Kolleg_innen aus der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, der Gedenkstätte ROTER OCHSE in Halle/Saale, der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden, der Gedenkstätte Münchener Platz in Dresden, der Gedenkstätte Moritzplatz in Magdeburg und der Stiftung Lindenstraße Potsdam.

Der „Arbeitskreis Justizgedenkstätten“ hatte sich im Mai 2013 aus dem von der Gedenkstätte in der in Wolfenbüttel veranstalteten Symposium „Gedenkstätten an Hinrichtungsorten und Gefängnissen im Nationalsozialismus“ konstituiert. Bei einmal jährlich stattfindenden zweitägigen Treffen werden zwischen den Teilnehmer_innen aus der ganzen Bundesrepublik Erfahrungen ausgetauscht, mögliche Kooperationen besprochen, über neue Projekte informiert und neue, gemeinsame Projektideen entwickelt. So die Notwendigkeit einer umfassenden Datenbank der in der NS-Zeit Hingerichteten diskutiert. ein Das weitergehende Ziel ist es, durch die landesweite Vernetzung eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und eine bessere Wahrnehmung der Justizgedenkstätten zu erreichen.

Das diesjährige Treffen begann mit einem Rundgang und Kennenlernen des historischen Ortes der Steinwache Dortmund. Die Kolleg_innen Carmen Hause und Markus Günnewig stellten die Gedenkstätte vor und gaben Einblick in die laufenden Planungen der Neukonzeption der dortigen Dauerausstellung. Dies stand auch im Mittelpunkt der folgenden Präsentationen von Martina Staats zum Stand der Neugestaltung in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, Lisa Quäschning zur Realisierung der Dauerausstellung in der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden und Ute Gerlant zur Gründung der Stiftung Lindenstraße in Potsdam. Durch die anschließenden gemeinsamen Gespräche konnten Ratschläge und Anregungen ausgetauscht und gemeinsam über Erfolge und Schwierigkeiten gesprochen werden.

Zudem referierte der freie Historiker Christoph Bitterberg zum nationalsozialistischen Strafvollzug am Beispiel der Strafanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel und stellte die dortige Gedenkstätte vor, sowie der Anstaltsseelsorger Alfons Zimmer zu Opfern der NS-Justiz in der „Krümmede“ Bochum.

Zum Abschluss wurden von Martina Staats und Lars Skowronski (Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle/Saale) Vorschläge und Impulse für eine inhaltliche Positionierung des Arbeitskreises in der bundesdeutschen Gedenkstättenlandschaft vorgestellt. Im Ergebnis einigten sich die Teilnehmer darauf, dass der Arbeitskreis Justizgedenkstätten auf der bundesweiten Gedenkstättenkonferenz vorgestellt und als eigene Interessenvertretung des Justiz- und Haftgedenkstätten auf bundesweiter Ebene verankert werden soll.

Im Dezember nahmen Lars Skowronski und Martina Staats als Vertreter der Arbeitskreises Justizgedenkstätten an der 6. Bundesweiten Gedenkstättenkonferenz in Halle (Saale) teil. Im Rahmen eines eigenen Vortrags stellten sie den Arbeitskreis und die teilnehmenden Gedenkorte und –initiativen vor und gaben einen Einblick in seine Tätigkeiten und Ziele. In der anschließenden lebhaften Diskussion wurde angeregt, den Arbeitskreis insbesondere um Haftstätten auch der Polizei auszuweiten und ggf. in „Arbeitskreis der Gedenkstätten Justiz und Polizeigefängnisse“ o. ä. umzubenennen. Auf Anregung von Thomas Lutz wird voraussichtlich 2018 ein eigener Aufsatz zu den Ansätze, Zielen und Tätigkeiten des Arbeitskreises im Gedenkstättenrundbrief veröffentlicht.

Austausch mit Kolleg_innen

Am 6. und 7. Oktober 2016 fand das dritte Treffen des Arbeitskreises der Justizgedenkstätten statt. Kolleg_innen aus sechs verschiedenen Einrichtungen, die sich mit den Themen Justizverbrechen und Strafvollzug beschäftigen, tagten in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel. Die zweitägige Veranstaltung diente vor allem der Vernetzung und dem Austausch über gemeinsame Fragestellungen und Projektideen.

Der Kollegenkreis nutzte die Zeit, um laufende Projekte gemeinsam zu  diskutieren. So stellte Lars Skowronski, Mitarbeiter der Gedenkstätte Roter Ochse (Halle/ Saale), ein Forschungs- und Ausstellungsprojekt über das Reichskriegsgericht vor. Birgit Sack, Leiterin der Gedenkstätte Münchener Platz (Dresden), präsentierte beispielweise eine Onlinedatenbank mit Namen von Hingerichteten aus Tschechien.

Der Input zu den einzelnen Beiträgen führte zu gemeinsamen Diskursen, wie etwa der Frage nach den Möglichkeiten, Justizgeschichte ansprechend präsentieren zu können und den Opfern von Hinrichtungen zu gedenken.

Der Kollegenkreis nutze außerdem die Gelegenheit, die neugestaltete Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, den Gedenkort Schießstand Braunschweig-Buchhorst und den Friedhof Lindener Straße Wolfenbüttel zu besichtigen.

Landespressekonferenz – Neugestaltungsprojekt vorgestellt

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel wird bis Anfang 2018 grundlegend neu gestaltet und ausgebaut, teilte die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten in einer Pressekonferenz in Hannover mit. Es entsteht ein zentraler Gedenkort zur Justiz und zum Strafvollzug im Nationalsozialismus.

Die Justiz und der Strafvollzug waren zentrale Mittel für die Durchsetzung der NS-Gewaltherrschaft. Dieses Thema soll in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel künftig mit zukunftsweisenden Vermittlungsformen dargestellt werden. Die Neugestaltung, an der seit Ende 2014 ein sechsköpfiges Team aus Historiker_innen und Medienpädagog_innen arbeitet, habe auch das Ziel, zeitgemäße Formen der Darstellung und Vermittlung zu entwickeln, sagte die Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Kultusministerin Frauke Heiligenstadt bei der Vorstellung der Neukonzeption:

“70 Jahre nach Kriegsende spüren wir zunehmend die Herausforderung, die Erinnerung lebendig halten zu müssen. In Wolfenbüttel werden nun innovative Methoden entwickelt, die der besonderen Bedeutung der Gedenkstätte als regionaler, nationaler und europäischer Erinnerungsort gerecht werden und die auch junge Menschen in geeigneter Weise ansprechen.”

Ein neues Bildungskonzept soll künftig die restaurierten historischen Orte mit einem multimedialen Lernraum verbinden. Das Erdgeschoss des ehemaligen Hinrichtungsgebäudes wird als Gedenkort und Großexponat baugeschichtlich erschlossen und auf den Grundriss vor 1945 zurück gebaut. Ab 2017 wird die Gedenkstätte um einen Neubau mit Ausstellungs- und Multifunktionsräumen auf dem Gelände der JVA erweitert. Die Lage des neuen Dokumentationszentrums am Rande des Sicherungsbereiches ermöglicht dann den offenen Besucherzugang ohne vorherige Anmeldung.

“Am Ende der Neukonzeption soll ein zukunftsweisendes Museum stehen, das am historischen Ort exemplarisch zeigt, welche Rolle Justiz und Strafvollzug in der Verfolgungs- und Mordpolitik der Nationalsozialisten spielten und welche Folgen das für uns heute hat”

so Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten. Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel – neben der Gedenkstätte Brandenburg-Görden – bundesweit die einzige Gedenkstätte zum Themenkomplex „Justiz- und Nationalsozialismus“, die innerhalb einer in Betrieb befindlichen Justizvollzugsanstalt besteht.

Auch auf die Entwicklung nach 1945 soll in der neugestalteten Gedenkstätte hingewiesen werden.

„Das Neugestaltungsprojekt ist die entscheidende Chance für die Weiterentwicklung der Gedenkstätte: nicht nur durch die weitere thematische Erforschung des Themas „Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus“, sondern auch mit der Darstellung der Kontinuitäten und Brüche nach 1945“,

sagte dazu Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.

Der Historiker Christoph Bitterberg beim 5. Gedenkstättenforum in Wolfenbüttel.

Der Historiker Christoph Bitterberg zu Besuch in Wolfenbüttel

Im Vortrag zu Strafvollzug im Nationalsozialismus stellte der Hamburger Historiker Christoph Bitterberg am Beispiel der Haftanstalten Wolfenbüttel und Hamburg-Fuhlsbüttel seine neuesten Forschungsergebnisse vor. Er zeigte die Veränderungen im Strafvollzug von der Weimarer Republik zum und während des Nationalsozialismus auf.

Versuchte der Strafvollzug der Weimarer Republik noch erzieherisch auf die Gefangenen einzuwirken und damit weiteren Straftaten vorbeugend entgegen zu wirken, so zeigt sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Verschärfung des Strafvollzuges, in der das Moment der Abschreckung in den Vordergrund trat. Mit der Konsolidierung der nationalsozialistischen Herrschaft fanden vermehrt rassische bzw. rassenhygiensche Überlegungen Einzug den Strafvollzug. Mit Beginn und Fortlauf des Krieges kam es zu einem Anstieg der Todeszahlen in den Haftanstalten Wolfenbüttel und Hamburg-Fuhlsbüttel. Der Haftalltag war für die Gefangenen geprägt durch lange Arbeitszeiten und eine schlechte Ernährungslage.

In seiner Zusammenfassung wies Christoph Bitterberg abschließend darauf hin, dass man von dem Strafvollzug im Nationalsozialismus allerdings nicht sprechen kann. Vielmehr hatten die Strafanstalten trotz des hierarchischen Systems durchaus Handlungsspielräume, was sich daran zeigt, dass Anweisungen aus dem Reichsjustizministerium oftmals ganz unterschiedlich umgesetzt wurden.