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Zahlreiche Wandritzungen von Gefangenen entdeckt

Im ehemaligen Hinrichtungsgebäude sowie in den Arrest- und Haftzellen in Haus III (Bastion Philippsberg) sind seit Herbst letzten Jahres umfangreiche restauratorische Befunduntersuchungen vorgenommen worden. Die Wände wurden durch die Baurestauratorin Beate Skasa-Lindermeir und ihre Kolleg_innen im Hinblick auf mögliche Zeitdokumente in Form von Gefangenenritzungen oder -zeichnungen begutachtet.

In Zelle 128 wurden neben mehreren Inschriften auch Darstellungen von Flugzeugen entdeckt, Foto: Beate Skasa-Lindermeir

In Zelle 128 wurden neben mehreren Inschriften auch Darstellungen von Flugzeugen entdeckt, Foto: Beate Skasa-Lindermeir

In Zelle 3 im ehemaligen Hinrichtungsgebäude, in der Gefangene auf die Vollstreckung des Urteils warten mussten, konnten leider keine persönlichen Zeugnisse an den Wandfassungen entdeckt werden. Dieser Umstand ist vorrangig durch frühere Renovierungsmaßnahmen innerhalb des Bauwerks bedingt. Wenn noch vorhanden, sind sie von zahlreichen, dicken Farbschichten und partiell auch von Spachtelmassen bedeckt. Demgegenüber sind in der früheren Arrestzelle 128 in Haus III zahlreiche Funde gemacht worden. Neben der Erstellung von Freilegungstreppen, die einen Überblick über die verschiedenen Farb- und Putzschichten an den Wänden geben sollen, haben die Baurestaurator_innen zahlreiche Schriftzüge in verschiedenen Sprachen sowie Ritzzeichnungen lokalisieren und sichtbar machen können. In den folgenden Wochen werden Überlegungen zum angemessenen Schutz und der Art der Präsentation dieser Zeugnisse wesentliche Themen sein.

Entwürfe zur Neugestaltung der Gedenkstätte erarbeitet

Im Auswahlverfahren zur Neugestaltung der Gedenkstätte im Rahmen des Teilprojektes II hat das Gestaltungsbüro Hinz & Kunst aus Braunschweig den Zuschlag erhalten. Das durchdachte Lichtkonzept im ehemaligen Hinrichtungsgebäude sowie die Vorschläge zur Entwicklung einer multimedialen Lernanwendung fanden große Zustimmung. Im Hinblick auf die konzeptionellen Überlegungen sowie die geplante Umsetzung arbeiten die Kolleg_innen von Hinz & Kunst eng mit dem Architekturbüro O.M. Architekten BDA sowie dem freien Ausstellungsarchitekten Axel Pohl zusammen.

Der gegenwärtige Entwurf sieht im ehemaligen Hinrichtungsraum, dem zentralen Ort des Gedenkens, eine Installation von mehreren Glasstelen an der Westwand vor, auf denen die Namen der Hingerichteten verortet werden sollen. Ferner ist auch der frühere Standort der Guillotine in das Gestaltungskonzept mit einbezogen worden. Die weiteren Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Gebäudes sollen später eine unterschiedliche Nutzung erfahren, unter anderem zur Präsentation von historischen Bild- und Textquellen sowie ausgewählten Biografien.

Gestaltungsentwurf mit Darstellung der Medientische in den ehemaligen Gemeinschaftshaftzellen in Haus III, Grafik: Hinz & Kunst

Gestaltungsentwurf mit Darstellung der Medientische in den ehemaligen Gemeinschaftshaftzellen, Grafik: Hinz & Kunst

Die früheren Gemeinschaftshaftzellen in Haus III sollen im Wesentlichen zu Gruppenarbeitsräumen für die pädagogische Arbeit vor Ort umgestaltet werden. Ein wesentliches Element werden mehrere interaktive Medientische bilden, an denen sich Besucher_innen vertiefend mit historischen Quellenmaterialien auseinandersetzen können. Eine einzelne Gemeinschaftshaftzelle und die Arrestzelle 128 werden ferner zukünftig begehbare Exponate sein. Die inzwischen durch die Baurestaurator_innen freigelegten Wandritzungen der Gefangenen sollen dabei aufbereitet und angemessen geschützt werden.

Historische Bausubstanz wird sichtbar

Beim ersten Netzwerktreffen zwischen Bauforscher_innen und Architektin, Baumanagement und den Ausstellungsgestalter_innen haben die Bauhistoriker_innen Barbara Schulz und Axel Drieschner erste Befunde ihrer Arbeit vorgestellt. Bemerkenswert sei, so Schulz, die große Sorgfalt, mit der das von der Strafanstalt zuvor als Wirtschaftsgebäude genutzte Haus 1937 zur Hinrichtungsstätte umgebaut wurde. So zeige etwa die West-Fassade keine Spuren früherer Fensteröffnungen, alle vorherigen Einbauten wurden akribisch beseitigt. Auch das Aufsatteln des ersten Obergeschosses sei mit viel Aufwand betreiben worden. Zugleich belegen Untersuchungen im Inneren des Gebäudes Abweichungen von den ursprünglichen Planungen zur Einrichtung der Hinrichtungsstätte. Offenbar entstand Ende der 1930er Jahre ein besonderes Bauobjekt, das noch nicht wie andere spätere Hinrichtungsstätten von Provisorien geprägt war.

Barbara Schulz erläutert die Änderungen im historischen Baubestand, Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Barbara Schulz erläutert die Änderungen im historischen Baubestand. Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Schnitte im Putz und Streiflicht zeigen Position und Breite früherer Türöffnungen an. Auch der ehemalige Standort der Guillotine konnte mittels Fotoauswertung und Magnetuntersuchung genau bestimmt werden. Dem Vorhaben, die historische Bausubstanz sichtbar zu machen, kommt das Projekt durch die bauhistorischen Untersuchungen ein großen Schritt näher.

Bauhistorische Untersuchung im ehemaligen Hinrichtungsgebäude

Beginn der bauhistorischen Untersuchung

Die Berliner Bauhistoriker_innen Barbara Schulz und Axel Drieschner haben mit der bauhistorischen Untersuchung des ehemaligen Hinrichtungsgebäudes begonnen. Nach 1948 nutzte die Strafanstalt das Gebäude in verschiedenen Funktionen weiter, beispielweise als Badeort für Gefängnisbedienstete und später als Werkstatt, und baute es für die jeweiligen Zwecke um. Um Aussagen über die Bausubstanz der frühen 1940er Jahre zu treffen verorten die Bauforscher_innen nun alte Tür- und Fensteröffnungen und legen Wandfliesen und Wasseranschlüsse frei. So konnten sie bereits feststellen, dass sich der Eingang zum ehemaligen Hinrichtungsraum an anderer Stelle befand, als es der jetzigen Bausituation entspricht.

Die Bauforscherin Barbara Schulz lokalisiert den Standort der Guillotine im ehemaligen Hinrichtungsgebäude. Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Die Bauforscherin Barbara Schulz lokalisiert den Standort der Guillotine im ehemaligen Hinrichtungsgebäude. Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Auch der historisch korrekte Standort der Guillotine ließ sich anhand von historischen Bauzeichnungen und Fotografien lokalisieren. In Absprache mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege fließen die bauhistorischen Befunde nach Abschluss der Untersuchungen in die Neugestaltung des Gebäudes ein.

Aussenansicht der Baracke 13 mit seitlichem Kellerabgang in der Köllnischen Straße 17

Inschriften und bauliche Relikte der Baracke 13

Die Baracke 13 im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit ist von allen Unterkunftsbaracken des ab Sommer 1943 erbauten Lagers am besten erhalten. Eine Besonderheit ist, dass sich unterhalb dieser Baracke ein Luftschutzkeller befand. 2010 wurde sie als architektonisches Bauzeugnis restauriert. An vielen Kellerwänden lassen sich – nun geschützt hinter Glas – Inschriften italienischer Zwangsarbeiter finden.

2015-04-15 Dok NS Zwangsarbeit Schoeneweide_Wilbricht

Inschriften im Keller der Baracke 13: italienische Worte, Namen und Daten von Luftangriffen aus der letzten Kriegsphase. Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Neben dem sind zahlreiche bauliche Details erhalten, wie z.B. die Fenster und ein Teil der Fensterläden sowie originale Oberflächen im Inneren des Gebäudes. Gestalterisch beeindruckte uns hier die zurückhaltende Kommentierung des Ortes durch Ausstellungs- bzw. Textflächen zu Aspekten des Lageralltags, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Eine behutsame Gestaltung, die wir uns auch für die baulichen Großexponate und historischen Orte der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel wünschen.

Martina Staats und Dr. Kerstin Klein bei der Besichtigung der Zelle 27 im Hafthaus I (“Graues Haus”). Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel/ Stefan Wilbricht

Restauratorische Untersuchung der historischen Gebäude

Bei einer Begehung der historischen Gebäude der Gedenkstätte mit Dr. Kerstin Klein und Antje Graumann vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege wurden die restauratorischen Maßnahmen im Rahmen der Neugestaltung geplant. Sowohl das ehemalige Hinrichtungsgebäude, als auch eine frühere Todeszelle sowie jeweils eine Gemeinschaftshaft- und Arrestzelle sollen von Restauratoren auf Wandinschriften von Gefangenen, Farbschichten und andere Nutzungsspuren untersucht werden.

“Da findet man bestimmt was – aber ob es das ist, was wir uns erhoffen?”

– so die vorläufige Einschätzung der Spezialistin für Wandmalereien, Architekturoberflächen und Stuck, Dr. Kerstin Klein, während der Begehung. Bei der restauratorischen Untersuchung werden im abgedunkelten Raum zunächst alle Wände mit Streiflicht und UV-Licht ausgeleuchtet. Zur Analyse von Farbschichtfolgen werden anschließend an vorab definierten Stellen Farbschnitte angelegt. Inschriften könnten dort gefunden werden, wo niemand kontrollierte bzw. wo nachträglich wenig Farbe aufgetragen wurde. In ehemaligen Haftzellen beispielsweise am Standort von Pritschen oder an Wänden, die hinter Heizungen liegen. Zudem beinhaltet die denkmalpflegerische Bauuntersuchung die Einordnung von vorhandenen Einbauten wie Fenstergitter, Flügelfester und Zellentüren zu bestimmten Bauphasen.

2015-01-15 IEK_Wilbricht_0077

Grundriss des ehemaligen Hinrichtungsgebäudes vom Hochbauamt Wolfenbüttel, 1948. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Stefan Wilbricht