Archiv für den Monat: Mai 2015

“…die kreativen Methoden – das hätte ich auch noch länger gemacht!”

Mit diesem Feedback endeten zwei spannende Seminartage mit den Auszubildenden der MAN Bus & Truck AG Salzgitter in der Gedenkstätte. Bereits seit 2012 kommen die Auszubildenden im Rahmen ihrer Fortbildung Respekt und Toleranz für einen ganzen Tag nach Wolfenbüttel. Die jungen Erwachsenen erhalten einen Einblick in die Geschichte von Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus sowie in den Haftalltag in einer Justizvollzugsanstalt heute. Am Vormittag liegt der Schwerpunkt auf dem Besuch und der Gruppenarbeit am historischen Ort. Am Nachmittag übernimmt ein Mitarbeiter der JVA zum Thema Strafvollzug heute.

Mit dem Seminar nutzen wir die Gelegenheit, einige unserer Ideen für die Neukonzeption der Bildungsarbeit zusammen mit den Auszubildenden auszuprobieren.

“…überraschend interessant…”

So war uns besonders daran gelegen, den Anteil des eigenständigen Arbeitens in Kleingruppen zu erhöhen. Jeweils drei bis vier Auszubildende sollten sich mit einzelnen Biografien auseinandersetzen. Für die darauf folgende Präsentation der Ergebnisse in der Gesamtgruppe erhielt jede Kleingruppe individuelle Gestaltungsaufträge.

Arbeit in Kleingruppen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Arbeit in Kleingruppen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Die Auszubildenden testeten drei neue Bildungs-Bausteine: einen Zeit- bzw. Ereignisstrahl (im Bild oben), die Visualisierung einer Haftsituation im Raum (Titelbild) sowie mittels einer topografischen Karte die Einbindung der Strafanstalt Wolfenbüttel in das Netzwerk von Haftorten in ganz Europa.

“…hat Spaß gemacht…”

Unser Grundgedanke einer stärkeren Veranschaulichung der scheinbar trockenen historischen Fakten schlug voll ein. Beide Gruppen der MAN Bus & Truck AG Salzgitter waren sehr aufgeschlossen und interessiert. Fazit: Wir haben viel aus den beiden Tagen mitgenommen.

Ausstellung “Was damals Recht war…”

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel zeigt die Wanderausstellung “Was damals Recht war…” Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht.

3. Juni bis 2. August 2015 in der Kommisse Wolfenbüttel
Kommissstraße 5, 38300 Wolfenbüttel
Öffnungszeiten: Di-So, 11.00 bis 17.00 Uhr
Führungen: jeden Sonntag um 11.00 Uhr, Eintritt und Führungen sind kostenlos

Die Ausstellung von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas beschäftigt sich mit der Geschichte der Militärjustiz und ihren Urteilen gegen Zivilisten und Soldaten in der NS-Zeit. Sie thematisiert auch den Kampf um die Rehabilitierung der Verurteilten nach 1945.

Von der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel wurde eine zusätzliche, neue Ausstellungs-Stele über den 24-jährigen Walter Siebert erarbeitet. Der Bremer wurde 1943 wegen angeblicher “Fahnenflucht” vom Divisionsgericht Braunschweig zum Tode verurteilt. Nach seiner Inhaftierung im Strafgefängnis Wolfenbüttel wurde er 1944 im Schießstand Buchhorst in Braunschweig erschossen.

Am Mittwoch, den 3. Juni wird die Ausstellung um 19 Uhr von Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, und Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten eröffnet.

Landespressekonferenz – Neugestaltungsprojekt vorgestellt

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel wird bis Anfang 2018 grundlegend neu gestaltet und ausgebaut, teilte die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten in einer Pressekonferenz in Hannover mit. Es entsteht ein zentraler Gedenkort zur Justiz und zum Strafvollzug im Nationalsozialismus.

Die Justiz und der Strafvollzug waren zentrale Mittel für die Durchsetzung der NS-Gewaltherrschaft. Dieses Thema soll in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel künftig mit zukunftsweisenden Vermittlungsformen dargestellt werden. Die Neugestaltung, an der seit Ende 2014 ein sechsköpfiges Team aus Historiker_innen und Medienpädagog_innen arbeitet, habe auch das Ziel, zeitgemäße Formen der Darstellung und Vermittlung zu entwickeln, sagte die Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Kultusministerin Frauke Heiligenstadt bei der Vorstellung der Neukonzeption:

“70 Jahre nach Kriegsende spüren wir zunehmend die Herausforderung, die Erinnerung lebendig halten zu müssen. In Wolfenbüttel werden nun innovative Methoden entwickelt, die der besonderen Bedeutung der Gedenkstätte als regionaler, nationaler und europäischer Erinnerungsort gerecht werden und die auch junge Menschen in geeigneter Weise ansprechen.”

Ein neues Bildungskonzept soll künftig die restaurierten historischen Orte mit einem multimedialen Lernraum verbinden. Das Erdgeschoss des ehemaligen Hinrichtungsgebäudes wird als Gedenkort und Großexponat baugeschichtlich erschlossen und auf den Grundriss vor 1945 zurück gebaut. Ab 2017 wird die Gedenkstätte um einen Neubau mit Ausstellungs- und Multifunktionsräumen auf dem Gelände der JVA erweitert. Die Lage des neuen Dokumentationszentrums am Rande des Sicherungsbereiches ermöglicht dann den offenen Besucherzugang ohne vorherige Anmeldung.

“Am Ende der Neukonzeption soll ein zukunftsweisendes Museum stehen, das am historischen Ort exemplarisch zeigt, welche Rolle Justiz und Strafvollzug in der Verfolgungs- und Mordpolitik der Nationalsozialisten spielten und welche Folgen das für uns heute hat”

so Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten. Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel – neben der Gedenkstätte Brandenburg-Görden – bundesweit die einzige Gedenkstätte zum Themenkomplex „Justiz- und Nationalsozialismus“, die innerhalb einer in Betrieb befindlichen Justizvollzugsanstalt besteht.

Auch auf die Entwicklung nach 1945 soll in der neugestalteten Gedenkstätte hingewiesen werden.

„Das Neugestaltungsprojekt ist die entscheidende Chance für die Weiterentwicklung der Gedenkstätte: nicht nur durch die weitere thematische Erforschung des Themas „Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus“, sondern auch mit der Darstellung der Kontinuitäten und Brüche nach 1945“,

sagte dazu Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.

Ein Materialkoffer zum Thema Zwangsarbeit. Foto: Stefan Wilbricht/Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Ein Materialkoffer zum Thema Zwangsarbeit

Für die Vermittlungsarbeit der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel soll für das Schuljahr 2015/16 ein Material- und Methodenkoffer konzipiert werden, der die Möglichkeit bietet, mit verschiedensten Materialien und Objekten in das Thema Strafvollzug und Justiz im NS einzusteigen. Um für die Entwicklung des Koffers Anregungen zu finden, besuchten wir das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide. Dort stellte uns die Mitarbeiterin Daniela Geppert den Materialkoffer Zwangsarbeit vor.

Aufgerufen von Denk-mal-an-Berlin e.V. beschäftigten sich Zehntklässler einer Neuköllner Oberschule 2014 mit dem Thema Zwangsarbeit und brachten ihre Erwartungen, Wünsche und Interessen in die Entwicklung des Koffers ein. So wurde der ursprüngliche Ansatz, einen Zugang zur Geschichte der Zwangsarbeit über das Objekt zu schaffen, um die persönliche Geschichte einer polnischen Zwangsarbeiterin und eines niederländischen Zwangsarbeiters erweitert. Die beiden Leitbiografien werden durch historische Dokumente, Karten, Fotografien und Objekte ergänzt. Die Materialien kommen aus der Sammlung des Dokumentationszentrums sowie aus den Interview-Beständen des Projekts Zwangsarbeit 1939-1945 Erinnerungen und Geschichte.

Kleingruppen erarbeiten anhand von Objekten und mit Hilfe von Leitfragen, Aufgaben- und Infokarten verschiedene Themenbereiche, bspw. zu Arbeit, Alltag, Lebensbedingungen, Selbstbehauptung, Ernährung, Hygiene, Unterkunft, Entschädigung und Gedenken. Die Objektkästchen enthalten teilweise originale Fundstücke wie Stacheldraht, Glasstücke, Steine, eine Gedenkschleife oder die Fehlproduktion eines Stolpersteins, teilweise Reproduktionen wie Abzeichen, ein Stück Seife, das Sample eines Strohsacks, Kondome der Firma Fromms, eine Essschüssel, eine Brotattrappe, einen Rosenkranz etc.

Mittlerweile gibt es drei identische Materialkoffer, die zusammen mit pädagogischen Konzepten für Projektstunden, -tage oder -wochen von Schulen ausgeliehen werden können. Gerade für Inklusionsklassen mit blinden Schüler_innen eignet sich der Zugang über Objekte zum Ertasten und Anfassen.