Archiv für den Monat: Oktober 2019

Neues von der Baustelle: Arbeiten am Mauerdurchbruch haben begonnen

Das neue Dokumentationszentrum der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel ist durch zwei grundsätzlich widersprüchliche Gegebenheiten charakterisiert: Zum einen seinem Standort auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt, zum anderen der Möglichkeit des öffentlichen Zugangs.

Um auch spontanen, nicht angemeldeten Einzelbesucher*innen und Gruppen diesen Zugang zu gewähren, erfolgt der Zutritt zum Gebäude künftig durch ein neues Tor in der denkmalgeschützten historischen Gefängnismauer. Die Arbeiten für die Herstellung des Durchbruchs in der Anstaltsmauer haben in der vergangenen Woche begonnen. Zunächst wurden Umrissschnitte und Bohrungen gesetzt, anschließend werden die Träger eingebaut und die Mauer in diesem Bereich abgetragen. Ein Teil der Steine, die bei den Arbeiten als Abbruch anfallen, wird für eine Kunstinstallation im Innenhof verwendet.

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Erste Bohrungen in der Gefängnismauer gewähren einen Blick vom Innenhof des zukünftigen Dokumentationszentrums auf den Parkplatz der angrenzenden Volksbank eG, Wolfenbüttel, über den das Gebäude nach Eröffnung erschlossen werden kann.

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Blick aus dem Eingangsbereich des Neubaus auf die fortschreitenden Arbeiten für den Mauerdurchbruch © Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

 

Trauer um Jean-Luc Bellanger

Am Samstag, dem 5. Oktober 2019 ist im Alter von 94 Jahren unser Freund Jean-Luc Bellanger verstorben.

Als Jugendlicher hatte sich Jean-Luc Bellanger einer Widerstandsgruppe im besetzten Frankreich angeschlossen. 1942 wurde er jedoch denunziert, wegen »Feindbegünstigung« zu zehn Jahren Haft verurteilt und als 17-Jähriger aus Frankreich ins Strafgefängnis Wolfenbüttel gebracht. Dort erhielt er durch verschiedene Arbeitseinsätze, u.a. in der Bibliothek und dem Lazarett, Einblick in viele Bereiche des Haftalltags und knüpfte auch Kontakte zu Angehörigen anderer Widerstandsgruppen. Insbesondere war er darüber informiert, dass zahlreiche Widerstandskämpfer als »NN-Häftlinge« (»Nacht und Nebel«) hingerichtet wurden. Nach der Befreiung Wolfenbüttels durch amerikanische Truppen am 11. April 1945 kehrte Bellanger im Mai nach Frankreich zurück. In seiner Heimat schloss nach seiner Rückkehr nach Frankreich ein Studium und eine Journalistenausbildung ab. Er engagierte sich für den deutsch-französischen Studentenaustausch und arbeitete bei Radio France International. Seit 1991 veröffentlicht er regelmäßig Berichte und Rezensionen im Magazin »Patriote Résistant«. Von 1996 bis 2011 gehörte er der Fachkommission zur Neugestaltung der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel an. Von 2005 bis 2014 war er Mitglied des Stiftungsbeirates.

2018 erschienen seinen Erinnerungen über die Haft in Wolfenbüttel auf Deutsch (Jean-Luc Bellanger: „Feindbegüstigung“ – Als politischer Häftling im Strafgefängnis Wolfenbüttel, hrsg. von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Göttingen: Wallsteien Verlag, 2018).

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trauern um einen Freund und Ratgeber, der sich mit großem Engagement für die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und für die Würdigung des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten einsetzte. Für seine Mitarbeit in den Stiftungsgremien und bei der Neukonzeption der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel sind wir ihm zu großem Dank verpflichtet. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen.