Archiv des Autors: Ina Stenger

Internationale Expertenkommission in der Gedenkstätte

Unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Henne tagte gestern in Wolfenbüttel die Internationale Expertenkommission, die die Neukonzeption der Gedenkstätte wissenschaftlich begleitet. U.a. besichtigten die Expert_innen den Neubau des Dokumentationszentrums, das samt Dauerausstellung im Herbst eröffnet werden soll. Vor Ort stellten die Projektmitarbeiter_innen auch Entwürfe der zukünftigen Ausstellungskapitel vor. Zudem wurde mit dem Neugestaltungsteam unter Leitung von Martina Staats und Jens-Christian Wagner u.a. über das Medienkonzept der Ausstellung diskutiert.

Foto: Anwesende Mitglieder der Internationalen Expertenkommission mit Neugestaltungsteam im Neubau des Dokumentationszentrums. © Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Grundsteinlegung für den Neubau der Gedenkstätte

Mit der Grundsteinlegung für den Neubau begann heute die letzte Phase der Umgestaltung der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel. Vor 150 geladenen Gästen- darunter auch Angehörige ehemaliger Gefangener – betonte die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt: „Am Ende wird Wolfenbüttel über die wohl wichtigste Gedenkstätte in Deutschland zum Thema der NS-Justiz verfügen – eine Gedenkstätte, die sich umfassend mit der NS-Justiz, den Opfern, aber auch Tätern und mit den Kontinuitäten und Brüchen nach 1945 auseinandersetzt – und das mit neuen Forschungsergebnissen und innovativen didaktischen Methoden. Mit der Förderung des Neugestaltungsprojektes bekennen sich das Land und der Bund zu ihrer Verantwortung dafür, dass die kritische Auseinandersetzung mit den im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen fest in unserer Erinnerungskultur verankert ist.“

Die ersten Teilbereiche der Neugestaltung sind bereits umgesetzt: Das ehemalige Hinrichtungsgebäude wurde bauhistorisch erschlossen sowie saniert und im Bereich der ehemaligen Gemeinschaftszellen wurde eine interaktive und multimediale Lernumgebung mit Multi-Touch-Tischen installiert. Den Abschluss der Neugestaltung bildet der Bau des neuen Dokumentationszentrums.

„Es geht darum, an die Opfer des nationalsozialistischen Strafvollzugs in Wolfenbüttel zu erinnern und zugleich eine zukunftsgerichtete und geschichtsbewusste Bildungsarbeit zu betreiben“, beschrieb Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, das zentrale Ziel der Arbeit der Gedenkstätte. Außerdem dankte er den Überlebenden und den Angehörigen der hier Hingerichteten und erinnerte daran, dass es Menschen aus der Region waren, die sich seit den 1980er Jahren gegen viele Widerstände für die Einrichtung einer Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel engagiert haben.

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André Charon. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.

André Charon, der aus Belgien angereist war, ist der Sohn eines Widerstandskämpfers, der die Haft im Strafgefängnis überlebt hat. Er erinnerte an seinen Vater: „Jedes Mal, wenn ich wieder an diesen Ort komme, wenn die Tür sich wieder schließt und der Schlüssel sich im Schloss dreht, denke ich daran, was mein Vater uns immer gesagt hat: ‚Ihr Unglücklichen, Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was man fühlt, wenn die Zellentür hinter einem schwer ins Schloss fällt und der Schlüssel sich lärmend im Schloss dreht. Aber ich werde dieses Geräusch niemals vergessen können, und nachts dröhnt es noch in meinen Albträumen.‘ Er schloss mit den Worten des französischen Schriftstellers Jean d’Ormesson: „Es gibt etwas, das stärker ist als der Tod: es ist die Anwesenheit der Abwesenden im Gedächtnis der Lebenden.“

Beitrags-Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.

Zeitzeugen des Paragraphen 175

Bundesweit Zeitzeugen gesucht!

Waren Sie selbst, ein Angehöriger oder ein Bekannter von Ihnen aufgrund des §175 verurteilt?

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel sucht nach Zeitzeugen, die in der frühen Bundesrepublik aufgrund der Paragraphen 175 oder 175a verurteilt und inhaftiert wurden.

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel erinnert seit 1990 an die Opfer von NS-Justiz und an die im Strafgefängnis Wolfenbüttel Hingerichteten und Inhaftierten während des Nationalsozialismus. Bis Ende des Jahres 2018 wird die Gedenkstätte um eine neue Dauerausstellung erweitert. Hier werden erstmals auch die Kontinuitäten der NS-Gesetze und der Verfolgtengruppen sowie personelle Kontinuitäten in Justiz und Strafvollzug in der Bundesrepublik thematisiert.

Bitte helfen Sie durch Ihre Erinnerungen auf das Unrecht des §175 aufmerksam zu machen.

Uns ist es wichtig, mit der neuen Dauerausstellung sowohl auf die kontinuierliche strafrechtliche Verfolgung als auch auf die damit zusammenhängende gesellschaftliche Diskriminierung Homosexueller hinzuweisen. Daher sind wir ganz besonders an Kontakten zu Betroffenen und ihren persönlichen und individuellen Schicksalen interessiert.

Jeder Hinweis ist willkommen.

Wir bitten Sie herzlich um Kontaktaufnahme. Ihren Wunsch ggf. anonym zu bleiben, respektieren wir. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen der Gedenkstätte stehen Ihnen für Nachfragen gern zur Verfügung, insbesondere Ina Stenger.

Neugestaltungsprojekt der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Rennelbergstraße 11

38114 Braunschweig

Tel.: +49 (0) 531 – 488-1604

Fax: +49 (0) 531 – 488 1607

Ina.Stenger@stiftung-ng.de

wolfenbuettel.stiftung-ng.de

blog.neugestalten-gwf.de

Unser Zeitzeugenaufruf wurde auch auf der Seite des Lesben- und Schwulenverbandes Niedersachsen-Bremen veröffentlicht.

Im Namen meiner Kolleg_innen bedanke ich mich für Ihre Mithilfe!

Martina Staats,

Leiterin der Gedenkstätte

Bildungsprogramm KogA

Als wissenschaftliche Volontärin durfte ich am Bildungsprogramm des Projektes „Kompetent gegen Antiziganismus“ teilnehmen. In diesem Jahr richten sich die vier Module vor allem an Personen aus der sozialen Arbeit und der öffentlichen Verwaltung.

Das erste Modul fand bereits im März statt. Es sensibilisierte die Teilnehmer für die jahrhundert lange Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma. In diesem Zusammenhang haben wir z.B. die KZ-Gedenkstätte Bergen Belsen besucht.

Das zweite Modul im Mai beschäftigte sich mit den heutigen Diskriminierungsformen in Verwaltung, Medien, Gesellschaft und co. Neben spannenden Inputs wurde u.a. gemeinsam über die aktuelle Flucht- und Migrationssituation von Roma, über Grund- und Menschenrechte sowie über Möglichkeiten diskriminierungsarmen Verwaltungshandeln diskutiert.

Besonders gut hat mir gefallen, dass an beiden Modulen Roma und Sinti teilgenommen haben, die nicht nur ihr Fachwissen, sondern auch ihre persönlichen Lebens- und Leidenswege vermittelt haben. Dies war besonders eindrücklich.

Titelbild: Marion Seibel/ KogA

Werkstattbericht am 8. Juni

Sie sind herzlich eingeladen zum 6. Wolfenbütteler Gedenkstättenforum, unserem Werkstattbericht zur Neugestaltung der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.

Das Team des Neugestaltungsprojekts stellt die konkreten Pläne des Neubaus, einem markanten, zweistöckigen Ortbetongebäude, vor. Anschließend wird das Konzept der neuen Dauerausstellung zu den Themen Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus erläutert und Ideen der Ausstellungsgestaltung visualisiert.

Donnerstag, 8. Juni 2017, 19 Uhr
Ratssaal im Rathaus,
Stadtmarkt 3, 38300 Wolfenbüttel

Beitragsbild: winkelmüller.architekten

„Seht da, der Mensch“

Anlässlich des 77. Jahrestages der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel veranstalteten die Pfarrei St. Petrus, die Kolpingfamilie Wolfenbüttel, Amnesty International und die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel am 11. April einen Gedenkgottesdienst. Unter dem Titel „Seht da, der Mensch“ war die Feier in der St. Petrus Kirche den Lebensgeschichten von Wilhelm Schulze und Fernande Mathieu  gewidmet.

Der Güterbahnarbeiter des Uelzener Bahnhof Wilhelm Schulze wurde wegen mehrerer kleinerer Diebstähle im August 1943 als sog. „Volksschädling“ vor dem Sondergericht Hannover zum Tode verurteilt. Er hatte Lebensmittel, Kleidung und Genussmittel entwendet. Als er am 29. September 1943 im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet wurde, hinterließ er vier kleine Kinder und seine Ehefrau.

Fernande Mathieu (* 7.10.1920) , eine französische Hutmacherin, gehörte einer Widerstandsgruppe in Brüssel an, die Flugblätter verteilte und Waffen versteckte. Die junge Mathieu wurde im September 1943 als sog. „Nacht und Nebel“-Gefangene nach Deutschland verschleppt, zum Tode verurteilt und am 7. August 1944 im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet.

Die Gemeinde gedachte neben Wilhelm Schulze und Fernande Mathieu über 520 Menschen, die im Strafgefängnis Wolfenbüttel zwischen 1937 und 1945 hingerichtet wurden.

Ganz besonders lag uns die Teilnahme der Familie von Wilhelm Schulze am Herzen, die sich durch Fürbitten gegen das Vergessen am Gottesdienst beteiligte. Im Anschluss bot sich die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Gespräch im Roncallihaus.