Archiv des Autors: Stefan Wilbricht

Historische Bausubstanz wird sichtbar

Beim ersten Netzwerktreffen zwischen Bauforscher_innen und Architektin, Baumanagement und den Ausstellungsgestalter_innen haben die Bauhistoriker_innen Barbara Schulz und Axel Drieschner erste Befunde ihrer Arbeit vorgestellt. Bemerkenswert sei, so Schulz, die große Sorgfalt, mit der das von der Strafanstalt zuvor als Wirtschaftsgebäude genutzte Haus 1937 zur Hinrichtungsstätte umgebaut wurde. So zeige etwa die West-Fassade keine Spuren früherer Fensteröffnungen, alle vorherigen Einbauten wurden akribisch beseitigt. Auch das Aufsatteln des ersten Obergeschosses sei mit viel Aufwand betreiben worden. Zugleich belegen Untersuchungen im Inneren des Gebäudes Abweichungen von den ursprünglichen Planungen zur Einrichtung der Hinrichtungsstätte. Offenbar entstand Ende der 1930er Jahre ein besonderes Bauobjekt, das noch nicht wie andere spätere Hinrichtungsstätten von Provisorien geprägt war.

Barbara Schulz erläutert die Änderungen im historischen Baubestand, Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Barbara Schulz erläutert die Änderungen im historischen Baubestand. Foto: Stefan Wilbricht/GWF

Schnitte im Putz und Streiflicht zeigen Position und Breite früherer Türöffnungen an. Auch der ehemalige Standort der Guillotine konnte mittels Fotoauswertung und Magnetuntersuchung genau bestimmt werden. Dem Vorhaben, die historische Bausubstanz sichtbar zu machen, kommt das Projekt durch die bauhistorischen Untersuchungen ein großen Schritt näher.

“Es zählte nur Gehorsam und Tapferkeit vor dem Feind”

Am 3. Juni 2015 wurde die Ausstellung “Was damals Recht war…” von Uwe Neumärker (Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas) und Dr. Jens-Christian Wagner (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten) eröffnet. Beide betonten die Relevanz des Themas – auch mit Blick auf die Eigeninitiative und die Handlungsspielräume der beteiligten Juristen. Zudem gedachten beide den Opfern der Wehrmachtsjustiz.

Sat1 Regional berichtete im Magazin 17:30

Besucher in der Ausstellung "Was damals Recht war...". Foto: Stefan Wilbricht/ Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Besucher in der Ausstellung “Was damals Recht war…”. Foto: Stefan Wilbricht/ Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Zwölf Biografie-Stelen stehen stellvertretend für die vielen tausend Opfer der NS-Militärjustiz – Soldaten wie Zivilisten. Die Ausstellung kann noch bis zum 2. August 2015 in der Kommisse in Wolfenbüttel besucht werden.

“…die kreativen Methoden – das hätte ich auch noch länger gemacht!”

Mit diesem Feedback endeten zwei spannende Seminartage mit den Auszubildenden der MAN Bus & Truck AG Salzgitter in der Gedenkstätte. Bereits seit 2012 kommen die Auszubildenden im Rahmen ihrer Fortbildung Respekt und Toleranz für einen ganzen Tag nach Wolfenbüttel. Die jungen Erwachsenen erhalten einen Einblick in die Geschichte von Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus sowie in den Haftalltag in einer Justizvollzugsanstalt heute. Am Vormittag liegt der Schwerpunkt auf dem Besuch und der Gruppenarbeit am historischen Ort. Am Nachmittag übernimmt ein Mitarbeiter der JVA zum Thema Strafvollzug heute.

Mit dem Seminar nutzen wir die Gelegenheit, einige unserer Ideen für die Neukonzeption der Bildungsarbeit zusammen mit den Auszubildenden auszuprobieren.

“…überraschend interessant…”

So war uns besonders daran gelegen, den Anteil des eigenständigen Arbeitens in Kleingruppen zu erhöhen. Jeweils drei bis vier Auszubildende sollten sich mit einzelnen Biografien auseinandersetzen. Für die darauf folgende Präsentation der Ergebnisse in der Gesamtgruppe erhielt jede Kleingruppe individuelle Gestaltungsaufträge.

Arbeit in Kleingruppen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Arbeit in Kleingruppen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Die Auszubildenden testeten drei neue Bildungs-Bausteine: einen Zeit- bzw. Ereignisstrahl (im Bild oben), die Visualisierung einer Haftsituation im Raum (Titelbild) sowie mittels einer topografischen Karte die Einbindung der Strafanstalt Wolfenbüttel in das Netzwerk von Haftorten in ganz Europa.

“…hat Spaß gemacht…”

Unser Grundgedanke einer stärkeren Veranschaulichung der scheinbar trockenen historischen Fakten schlug voll ein. Beide Gruppen der MAN Bus & Truck AG Salzgitter waren sehr aufgeschlossen und interessiert. Fazit: Wir haben viel aus den beiden Tagen mitgenommen.

„Mit Tränen in den Augen sieht man nicht gut“

Geschichtslabor und Gestapo-Keller. Ein Besuch im EL-DE-Haus in Köln.

Barbara Kirschbaum (Museumsdienst) erläuterte uns ihre Arbeit im Geschichtslabor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln.

Ein Raum, der mit den Erwartungshaltungen der Besucher bricht. Von der Decke hängen hunderte Alltagsgegenstände aus den 1930er und 40er Jahren. Das Geschichtslabor bietet einen aktiven Zugang zu der Frage: Wie funktionierte die NS-Gesellschaft? Die Gegenstände an der Decke sind verknüpft durch Fragen, deren Antworten sich in Schränken und Schubladen verbergen. Kleingruppen können sich spielerisch und selbstständig mit dem Thema Jugend im Nationalsozialismus auseinandersetzen.

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Barbara Kirschbaum erläutert die Bildungsarbeit im Geschichtslabor. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Martina Staats

Die Arbeit im Labor ist ein Teil des Workshop-Angebots, zu dem auch ein Rundgang durch die Ausstellung sowie der (freiwillige) Besuch der ehemaligen Gestapo-Zellen im Keller gehört. Für Barbara Kirschbaum ist auch hier das leitende Thema: In- bzw. Exklusion der Volksgemeinschaft.

„Das Haus ist das Original“

– so der Leiter des NS-Dokumentationszentrums, Dr. Werner Jung.

1935 übernahm die Gestapo Köln das leerstehende Haus und richtete hier ihre Zentrale mit eigenem Hausgefängnis ein. Zum Teil zehnfach überbelegt mussten Häftlinge in den kleinen Zellen Wochen und oder gar Monate verbringen.

Von Kriegsschäden verschont und später als Aktenlager der Rentenstelle genutzt blieb das Gebäude wie auch die rund 1.800 selbständigen Inschriften und Zeichnungen der Gefangenen an den Zellenwänden erhalten.

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Inschriften in einer der Zellen. Foto: Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel / Anett Dremel

Ob mit Lippenstift gemalt oder mit dem Fingernagel in den Gips geritzt, die Inschriften sind beeindruckendes Zeugnis der hier inhaftierten, gefolterten und ermordeten Menschen.